Egal was Mark Ronson anfasst – es wird zu Gold. Gerade erst räumte der Song „Shallow“ den Oscar, Grammy und Golden Globe ab, bei dem Mark als Songwriter agierte. Dann produzierte er den Silk City-Song „Electricity“ und wieder: Grammy.
Mit dem Ende 2018 erschienenen Song „Nothing Breaks Like A Heart“ gelang ihm in Zusammenarbeit mit Miley Cyrus einer der größten Erfolge seiner Karriere. Vor wenigen Wochen erschien sein neues Album „Late Night Feelings“, welches vor Top-Tracks nur so strotzt. Wie es zu den jeweiligen Tracks kam und was das ganz Besondere am Album für Mark ist, erzählt er hier.
Hast du eine besondere Verbindung zu Deutschland und der deutschen Musikszene?
Deutschland war ein sehr konsequenter Teil meiner Karriere. Ich erinnere mich an mein erstes Album im Jahr 2003, auf dem ein Song war, mit dem wir hier eine Art Club-Hit hatten. Deutschland war so ein riesiges Publikum für amerikanischen Hip-Hop. Ich erinnere mich gern daran, wie ich hierhergekommen bin, in Clubs aufgelegt habe und eine wirklich gute Zeit hatte. Natürlich ist es jedes Mal, wenn ich eine neue Platte herausbringe, fast wie eine Routine, wie ein Ritual, dass ich für ein paar Tage nach Berlin komme und etwas Pressearbeit mache. Ich bin sehr froh, dass auch bei meinem fünften Album noch jeder mit mir reden möchte, das ist also gut so.
Bist du jemals in Berliner Clubs feiern gewesen?
Ich habe in Berlin viele tolle Abende verbracht. Als ich das letzte Mal hier war, brachten mich meine Freunde in Clubs, in denen der Hip-Hop der 90er gespielt wurde. Die Menge war zwar jung, aber die Lieder waren sämtliche Hits, als ich im Alter von 20 Jahren auflegte und mit dem DJing anfing. Das war sehr aufregend. Ich erinnere mich aber leider nicht an die Namen aller Clubs.
Warum ist der Name des Albums „Late Night Feelings“?
Ich bin offensichtlich ein DJ. Ich mache meine eigenen Platten. Alles ist ausgelegt für und auf die Nacht. Das ist mein Leben seit ich 18 Jahre alt bin.
Aber es ist eine Tatsache, dass dies so etwas wie ein Trennungsalbum ist, ein „Heartbreak Album“. Es ist zwar eine sehr alte Geschichte, ein „Trennungsalbum“ zu produzieren, aber es ist das erste Mal, dass ich es mache. Ich mag die Idee, es „Late Night Feelings“ zu nennen, denn es geht nicht nur um Kummer, sondern auch um eine Art Verlust. Das Gefühl der „späten Nacht“ (Late Night) kann alles sein. Nachts im Bett liegend und 15 Minuten bevor du eingeschlafen bist, kommen dir Dinge in den Sinn wie Verlust, Angst, Herzschmerz. Es könnte eine Menge dem Zustand der Welt entsprechen. Wir alle sorgen uns um den Scheiß bis spät in die Nacht. Und dann auch noch in diesem allerletzten Moment vor dem Einschlafen, wo man sich nicht ganz sicher ist, ob man träumt und man plötzlich diese leicht psychedelischen Gedanken hat, die uns immer eine interessante Farbe vor Augen führen. Als wir die Texte geschrieben haben, ist der Name des Albums sehr ähnlich wie beim „Hin und Her“ entstanden. „Was ist mit diesem und was ist mit jenem Namen?“ Dann fiel auf einmal: „Was ist mit Late Night Feelings?“ Es klingt cool, es klingt modern.
Auf dem neuen Album sind viele Sängerinnen vertreten. Zufall oder Konzept?
Es war definitiv nicht beabsichtigt. Ich begann sehr früh mit einer Songwriterin namens Elsie zu arbeiten und es wurde schnell deutlich, dass sie die Perfekte für dieses Album war – ein etwas emotionaleres Trennungsalbum. Dann kam Lykke ins Bild und dann traf ich Yebba, eine erstaunliche Sängerin, die auch auf dem Album ist. Ebenfalls King Princess. Es geschah einfach ganz natürlich. Alica Keys ist eine Freundin von mir, aber wir haben nie Musik zusammen gemacht. Ich traf sie, als sie 18 Jahre alt war, bevor ihr erstes Album erschien, also war es das erste Mal, dass wir zusammenarbeiteten. Und es gibt ein paar Leute wie Angel Olsen, von denen ich einfach nur ein Fan bin und Miley Cyrus. Also habe ich immer wieder SMS oder E-Mails an den Manager oder an Freunde geschickt, bis ich sie endlich alle bekommen habe.
Ich denke nicht, dass es einen bewussten Grund gibt, dass all diese Frauen auf dem Album sind. Es ist einfach die Art, wie es entstanden ist. Ich denke, wenn ich mir die Credits und Dinge ansehen würde, an denen ich gearbeitet habe, dann genieße ich es definitiv, mit ihnen allen zu arbeiten. Sie sind wirklich kraftvoll, stark, emotional verletzlich und offen für Künstlerinnen. Vielleicht ist es nur, weil ich etwas erschaffen wollte, das größer als die Lebensdauer ist. Aber es war definitiv nicht beabsichtigt.
Was bedeutet es für dich, Musik zu machen? Ist es für dich therapeutisch, Musik zu kreieren?
Musik machen ist eine Menge Dinge gleichzeitig. Es ist immer noch mein Job, es zahlt die Miete. Mein Glück ist, dass ich jeden Tag ins Studio gehen kann und jeden Tag gibt es mir immer wieder dieses Gefühl von „heute machen wir etwas Gutes“. Es gibt spannende Momente, wie wenn man zum ersten Mal mit jemandem zusammenarbeitet. Du fragst dich, was, wenn ich keine guten Ideen habe, was, wenn ich meine Hände auf das Klavier legen will und es nicht gut klingt. Ich weiß, dass ich immer noch diese Ängste habe, aber am Ende des Tages, wenn du etwas Gutes tust, ist es das beste Gefühl der Welt. Das ist mein Job und ich habe großes Glück dabei. Ich weiß nicht, ob es wie eine Therapie ist. Ich denke, der Grund, weshalb es für mich so eine emotionale Sache ist, ist, dass es meine erste eigenen Solo-Platte ist. Ich glaube auch, wenn ich versuchen würde, das zu unterdrücken oder zu ignorieren und eine andere funky Platte herausgebracht hätte, wäre es nicht sehr echt gewesen. Ich versuche nicht, die Musik als Therapie zu benutzen. Es kommt einfach so aus mir heraus.
Du hast erwähnt, dass dies dein persönlichstes Album ist. Was macht es so persönlich?
Wenn ich ein Album für andere Leute produziere, dann ist es anders, als wenn ich mein eigenes produziere, denn für meine Solo-Platten brauche ich ein Konzept, wie zum Beispiel „Lasst uns alle Songs von Rock-Bands nehmen und sie im 70er Jahre Funk-Motown-Style machen“. Ich brauche diese Konzepte immer, um die Platte zu starten, weil es so viele verschiedene Sänger gibt. Es ist die eine Sache, die bei mir alles verbindet. Wir beginnen oft mit einem Song, indem wir in einem Raum einfach etwas jammen. Wir kommen zuerst mit dem Beat zur Musik und dann finden wir heraus, auf welchem Weg wir sind und welchen Sänger wir brauchen. Zumindest war es bisher immer so gewesen.
Dies ist das erste Mal, dass es so war: „Lass uns die Emotion an die erste Stelle setzen und zuerst einen Song bekommen, bei dem man das Gefühl hat, etwas Besonderes zu hören. Anschließend finden wir dann heraus, welcher Beat passt und wie man die Leute hierauf zum Tanzen bringen kann.“
Da ich diese Trennungen machen und einhalten wollte, wurde ich emotional sehr stark von dem beeinflusst, was um mich herum vor sich ging. Es ist das ehrlichste, was ich je war. Ich habe natürlich nicht alle Texte geschrieben, dies ist alles kollaborativ entstanden. Aber soweit es möglich ist, zieht sich eine Emotion hervorgehoben durch das ganze Album – und zwar diese leichte Melancholie.
Ich glaube, es ist mein bestes Album, da ich der Meinung bin, dass ehrliche Musik einfach die beste ist. Ich denke auch, dass es das Album ist, mit dem ich mich am meisten verbunden fühle. Es ist nicht nur so, dass ich mir das Album angehört habe und dachte: „Oh, das ist eine coole Baseline“, nein, das bin ich in diesem Song. Es ist das erste Mal, dass ich das tue. Lass uns realistisch sein, ich habe vielleicht nie wieder einen so großen Hit wie „Uptown Funk“. Vielleicht ist das neue Album nicht für jeden und ich sage nicht „es ist das Beste, was es je gab“, aber wenn es etwas Echtes und emotional Sentimentales in einer Platte gibt, dann bewegt es Menschen auf die eine oder andere Weise.
Möchtest du das Album live auf die Bühne bringen – über eine Tour oder ein Festival?
Das würde ich gerne. Es ist mein Traum, auf die Bühne zu gehen und diese Songs zu spielen. Das letzte Mal, als ich auf der Bühne stand, war, als ich zum ersten Mal rauskam. Aber ich würde es gerne wieder tun, besonders in England, Deutschland, Frankreich und natürlich ganz Europa. Ich kann kaum erwarten, es spielen zu dürfen. Das ganze Album zu nehmen und eine komplette Tour zu machen, ist jedoch leider unrealistisch, weil jeder so beschäftigt ist und seine Sachen am Laufen hat. Aber es wäre wunderbar, drei oder vier Shows zu machen.
Die Besetzung dieser Platte kommt aus der ganzen Welt. Brauchst du als Engländer, der in Amerika lebt, den multikulturellen Input für deine Musik?
Ich denke, das ist genau das, was Popmusik ist. Du schaust dir die Charts an und es gibt zum Beispiel das Land Schweden, welches auf Grund seiner Pop-Melodien eine so große Präsenz in der Popmusik hat.
Ich glaube, das Album passt wahrscheinlich zur Popmusik von heute. Spotify, Apple Music und all diese Streaming-Services machen die Dinge noch besser. Du kannst einfach klicken und dir ansehen, wo du die meisten Spotify-Zuhörer hast. Bei mir ist es immer London, New York und Mexiko City – meine Top Drei sozusagen. Es ist so interessant zu sehen, wer deine Musik mag.
Wie würdest du den Klang von „Late Night Feelings“ beschreiben?
Was an diesem Album cool und vielleicht auch ungewöhnlich ist, ist die Tatsache, dass es nicht nur mein emotionalstes, ehrlichstes und verletzlichstes ist, es ist gleichzeitig auch das tanzbarste. Sobald wir die Songs hatten, habe ich mir noch mehr Mühe gegeben, um sicherzustellen, dass sie ein konstantes Up-Tempo haben. Es ist somit eine Art Dance-Record geworden. Jede Platte dieser Art hat immer auch ein paar gute Balladen mit dabei, denn niemand will ausschließlich dauerhaftes Up-Up-Up-Tempo hören. Dies ist also auch das erste Album, bei dem ich mir ein paar Balladen erlaubt habe.
Es fühlte sich ehrlich an. Sie kamen einfach so aus mir heraus, während wir die Songs schrieben, ganz ohne dabei viel nachdenken zu müssen.
- Audio-CD – Hörbuch
- Sony Music Catalog (Sony Music) (Herausgeber)
„Shallow“ gewann den Oscar für den „Besten Filmsong“. Welche Erfahrungen hast du bei den Awards gemacht?
Es fühlt sich fast so an, als wäre es nicht passiert, weil es so eine verrückte Sache ist. Ich meine, du weißt bereits, was der Oscar ist, wenn du drei Jahre alt bist, egal ob du Filme machen willst oder nicht. Es ist einfach größer als das Leben.
Das großartige an diesem Film ist, dass er ein Eigenleben hat. Es geht um etwas, das in die Menschen eindringt. Es ist ein sehr emotionaler, verletzlicher und ehrlicher Song und ein Teil von diesem Lied zu sein, ist großartig. Wenn Lady Gaga „Tell me something girl, tell me something boy“ singt, bekomme ich immer noch Gänsehaut. Ich erinnere mich noch, als ich mit ihr in einem Raum war, um an diesem Song zu arbeiten. Die Art und Weise, wie sie es liebt zu arbeiten, ist erstaunlich.
Jeder hat Kopfhörer auf und das Mikrofon genau vor dem Gesicht. Wenn man ihre Stimme so nah hört, dann fällt dir extrem auf, dass sie so viele verschiedene Nuancen in ihrer Stimme hat und Dinge mit ihrer Stimme tun kann. Wenn du das hörst, dann ändert sich die Art und Weise, wie du diesen Song schreibst. Wenn man hört, wie sie auf eine ganz bestimmte Weise singt, bekommt man eine andere Inspiration für den nächsten Akkord. Sie spielte diese Akkorde am Piano zum Vers. In der Minute, als sie sang „Tell me something boy“, sang sie das zum ersten Mal. Ich fühlte mich, als würde mich jemand warm umarmen.
Als ich dann zum ersten Mal den Film sah, wie Bradley Cooper den Song nahm und diesen tatsächlich zu einem Teil der Geschichte machte, indem sie zu ihm singt, als sie zum ersten Mal auf dem Parkplatz herumhingen, war es wie ein wirklich schöner emotionaler Moment.
Alles über die Art und Weise, wie dieser Song verwendet wird, macht mich stolz – stolz, ein Teil davon zu sein.
Was sind deine Zukunftspläne für dein Silk City-Projekt mit Diplo?
Diplo und ich sind seit 18 Jahren befreundet und ich habe von weitem beobachtet, was er mit seiner Karriere macht. Ich war immer beeindruckt und spiele viele seiner Songs. Wir haben uns vor zwei Jahren entschlossen, gemeinsam Musik zu machen. Wir haben aus Spaß damit begonnen – alles fängt immer aus Spaß an – und dann haben wir mehrere Monate miteinander gearbeitet. Ich liebe dieses Lied so sehr. Es macht mich von jeder Musik, mit der ich jemals zu tun hatte, am glücklichsten und es ist großartig, gemeinsam Spaß im Studio zu haben. Ich denke, dass mehr Gleichgewicht zwischen Leben und Arbeit gut wäre, die sogenannte Work-Life-Balance.
Ich habe mich immer damit beschäftigt, ein Perfektionist zu sein. Es ist ein lächerlicher Begriff, weil es keine Perfektion gibt. Wenn du wirklich ein Perfektionist bist, ist nichts jemals gut genug. Perfektion ist, als würde man diese Wand hochkrabbeln und immer ein bisschen nach unten rutschen. Ich denke also über das Streben nach Exzellenz nach, weil somit eine positive Denkweise möglich ist. Im Leben versuche ich nur, ein bisschen weniger gestresst und verrückt nach Arbeit zu sein und dafür etwas mehr Glück zu finden.
Fotos: Sony Music; Benoit Debie
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