AjoureLifestyleUnterhaltungLa Llorona: die facettenreiche Frauengestalt aus der lateinamerikanischen Folklore

La Llorona: die facettenreiche Frauengestalt aus der lateinamerikanischen Folklore

Reumütige Mutter und Vorbotin des Todes: La Llorona, die „wehklagende Frau“, ist eine widersprüchliche Gestalt. Sie heißt entweder Rita oder Maria, ist bildhübsch und jung oder hager mit glühenden Augen. Anzutreffen ist die ganz in Weiß gekleidete Frauengestalt in der Umgebung von Flüssen, wo sie ihre von ihr selbst ertränkten Kinder beweint. La Llorona ist ein Zusammenspiel von spanischen, aztekischen und mayanischen Einflüssen, die das heutige Mexiko prägen. Wer der rachsüchtigen Geistergestalt begegnet, wird mit einem Fluch belegt.

Woher stammt La Llorona?

Der Mythos der weinenden Frau, die in weißer Kleidung durch die Schattenwelt geistert, findet sich in zahlreichen Epochen und Kulturen. Auch in der Folklore des deutschsprachigen Raums spielen die zahlreichen Versionen der Sage über die „Weiße Frau“ eine bedeutende Rolle.

Auf der iberischen Halbinsel ebenso wie in Mittel- und Südamerika sind Mythen über weinende Frauengestalten weit verbreitet. Die Legende von La Llorona weist mehrere Ähnlichkeiten mit der aztekischen Göttin Cihuacoatl, der Maya-Göttin Xtabay, der griechischen Halbgöttin Lamia sowie der Dämonin Lilith auf. Die genauen Wurzeln des Mythos der La Llorona verschwinden im Nebel der Vergangenheit.


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Die Wurzeln der Sage um La Llorona

Der Mythos entfaltet sich vor der Kulisse des spanischen Kolonialismus, als Lateinamerika von den spanischen Conquistadores erobert wurde. Als Grundlage dienen die Beziehungen zwischen den Kolonialherren und den indigenen Frauen. Eine der historischen Vorlagen für La Llorona könnte Malinche, die Geliebte des Konquistadoren Hernán Cortés, gewesen sein. Die Legende der „weinenden Frau“ stammt aus der Vorkolonialzeit, wurde jedoch erstmals im 16. Jahrhundert schriftlich erwähnt. Auch im Codex Florentinus, der die Eroberung Mexikos schildert, wird vom Geist einer Frau berichtet, die um ihre toten Kinder weint.

In zahlreichen Aspekten ähnelt La Llorona der aztekischen Schlangengöttin Cihuacoatl, die vom Himmel gestiegen sein soll, um das Leben auf der Erde mitzugestalten. Doch Cihuacoatl wollte alle Männer für sich haben. Die Azteken huldigten den Leidenschaften ihrer blutrünstigen Göttin, indem sie jungen Männern das Herz herausrissen und sie den Göttern opferten. Der Überlieferung nach erscheint Cihuacoatl in weiße Gewänder gehüllt und mit einem Korb auf dem Rücken, in dem sie Kinder entführt. Cihuacoatl ertränkt die Kinder in einem nahegelegenen Fluss. In der aztekischen Mythologie dient der Fluss als Symbol der Wiedergeburt. Moderne Forscher sehen zudem einen Zusammenhang zwischen La Llorona und den Cihuateteo der aztekischen Sagenwelt, den Geistern von Frauen, die bei der Geburt ihres ersten Kindes gestorben sind.

Die Bedeutung von La Llorona

Die Legende um La Llorona kennt zahlreiche Varianten, die sich zudem je nach Region unterscheiden. Am weitesten verbreitet ist die Version, in der eine wunderschöne junge Frau namens Maria einen wohlhabenden Konquistador heiratet, dem sie zwei Kinder gebärt. Als Maria eines Tages ihren Mann in der Gesellschaft einer anderen Frau sieht, wird sie von Eifersucht überwältigt und ertränkt ihre Kinder in einem Fluss. Sofort bereut sie ihre grausame Tat und springt ihren Kindern hinterher in die Fluten. In einer anderen Version werden die Kinder als unehelich bezeichnet. Maria ertränkt sie, um zu verhindern, dass sie von ihrem Vater entführt werden.

In Mexiko ist die Legende um La Llorona ein wichtiger Bestandteil der lokalen Folklore. Die Sage wird Kindern erzählt, um sie davon abzuhalten, sich in der Nähe von Flüssen aufzuhalten. Der Mythos knüpft an weitere bedeutende mexikanische Tradition wie den Dia de los Muertos („Tag der Toten“) an. Auch der Zusammenhang zu Malinche, der mexikanischen Nationalheldin, macht aus La Llorona einen Mythos von nationaler Tragweite.

In Guatemala wird La Llorona als eine Frau beschrieben, die ihr uneheliches Kind ertränkte. Seitdem geistert sie auf der Suche nach ihrem Sohn in der Nähe von Gewässern umher und stößt dabei wehklagende Schreie aus. In Venezuela wird eine ähnliche Geschichte erzählt. Sogar in den USA ist die Legende um La Llorona bekannt, beispielsweise unter den in Südkalifornien ansässigen Chumash.

Das Wesen der La Llorona ist mehrdeutig: Sie wehklagt über ihre eigenen Kinder, ertränkt aus purer Rachsucht jedoch fremde Kinder, die sie ans Flussufer lockt. Ihre garstigen Taten fußen auf dem Neid, den sie glücklichen Familien gegenüber empfindet.


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Die Legende um La Llorona in der modernen Popkultur

Der Stoff der La-Llorona-Sage hat schon mehrfach als Vorlage für eine Reihe von Romanen und Filmen gedient. Die erste literarische Erwähnung von La Llorona haben wir dem mexikanischen Dichter Manuel Elogio Carpio Hernandez zu verdanken. In seinem Gedicht erscheint La Llorona als Rosalia, die von ihrem Ehemann ermordet wurde.

1980 wurde die Sage in Ray John Aragons Roman „The Legend of La Llorona“ verarbeitet, 40 Jahre später widmete die US-amerikanische Schriftstellerin Tehlor Kay Mejia ihr Jugendbuch „Paola Santiago and the River of Tears“ dem Mythos.

Auch die Filmindustrie ist nicht an der Legende vorbeigegangen. 1933 erschien Ramon Perons „La Llorona“, 2019 kamen gleich zwei Filme über La Llorona auf die Leinwand. Jayro Bustamantes Thriller „La Llorona“, ein Politdrama mit übernatürlichen Elementen, wurde mehrfach ausgezeichnet. Fast gleichzeitig stellte Michael Chaves seinen Horror-Mystery-Thriller „Lloronas Fluch“ vor, der den sechsten Teil der beliebten Conjuring-Reihe darstellt.

Zusammenfassung

Die Sage um „La Llorona“ („die wehklagende Frau“) stammt aus dem mittelamerikanischen Raum und ist hauptsächlich in Mexiko weit verbreitet. La Llorona wird als ganz in Weiß gehüllte Frauengestalt dargestellt, die zuerst ihre Kinder und dann sich selbst in einem Fluss ertränkt. Ihre Kinder soll sie aus Rache gegenüber ihrem Ehemann umgebracht haben, der sie mit einer anderen Frau hinterging.

Allerdings liegt die Legende in zahlreichen Varianten vor, die sich von Region zu Region voneinander unterscheiden. Gelegentlich wird La Llorona auch als Frau dargestellt, die von ihrem Ehemann ermordet wurde. In Mexiko werden zudem Parallelen zwischen La Llorona und Cihuacoatl, einer der aztekischen Fruchtbarkeitsgöttinnen, gezogen.

Der Stoff der La-Llorona-Legende hat zudem auch Einzug in die Popkultur gefunden und dient als Grundlage für verschiedene Filme. Meisterhaft wurde der Mythos von dem guatemaltekischen Regisseur Jayro Bustamante in seinem 2019 erschienenen Film „La Llorona“ verarbeitet, der geschickt einen Zusammenhang zwischen dem guatemaltekischen Bürgerkrieg und der Legende knüpft.

Heute gehört „La Llorona“ zu den bedeutendsten Figuren der mexikanischen Mythologie und beflügelt immer noch die Fantasien zahlreicher Menschen auf der ganzen Welt.

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Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/La_Llorona_(Folklore)
https://evolution-mensch.de/Anthropologie/La_Llorona_(Folklore)
https://grimm.fandom.com/de/wiki/La_Llorona_(Wesen)
https://www.cinecitta.de/de/The-Curse-of-La-Llorona-6111.html?seite_theater_id=382

 

Bilder: tinyt.studio / stock.adobe.com

Ajouré MEN Redaktion
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