Die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte unlängst die Sucht nach Online-Spielen zu einer Krankheit. Die „Gaming Disorder“ wird offiziell in den zuletzt veröffentlichten WHO-Katalog aufgenommen. Jedoch ist diese Entscheidung nicht unumstritten.
Exzessives Online-Spielen als Suchtkrankheit
Zuletzt wurde der Katalog der Weltgesundheitsorganisation vor 28 Jahren neu aufgesetzt. Es handelt sich um die 11. Auflage. In ihm sind mehr als 55.000 Klassifizierungscodes enthalten, mit welchen sich Krankheiten und Todesursachen besser statistisch erfassen lassen sollen. Ärzte und Krankenkassen nutzen den Katalog als Hilfe für ihre Diagnosen. Manche der Einträge im Katalog werden von Medizinern und Wissenschaftlern jedoch misstrauisch betrachtet. So auch der kürzlich hinzugekommene Eintrag der „Gaming Disorder“ oder „Online-Spielsucht“.
Spieler stigmatisiert?
Grund für das Misstrauen gegenüber der WHO: Durch den Eintrag in den Katalog werden Spieler auf der gesamten Welt als potentiell therapiebedürftig stigmatisiert. In Deutschland allein zocken rund 34 Millionen Menschen. Die meisten sind aber weit davon entfernt, dieses Hobby exzessiv zu betreiben. Jedoch ergab eine österreichische Studie zur Abhängigkeit bei Jugendlichen im Jahre 2009, dass bereits 12% ein Verhalten an den Tag legen, welches als suchtartig beschrieben werden kann. 2,7% davon wiesen bereits ein abhängiges Verhalten auf. Seitdem könnte sich diese Zahl noch erhöht haben, denn der Markt für Videospiele ist gewachsen und die Digitalisierung weiter fortgeschritten.
Dennoch sehen einige Mediziner und Psychologen den neuen Eintrag kritisch. Fälle, bei denen Menschen beim Videospielen verwahrlosten und sogar den Tod fanden, seien tragisch, jedoch Einzelfälle. Die große Masse der Menschen ist sehr wohl in der Lage, sich dem Gaming zu widmen, ohne Gesundheit und das soziale Umfeld zu vernachlässigen. Gemeinsam mit 30 Kollegen warnte der Psychologe Andy Przybylski von der Oxford University, dass Ärzte und Psychologen „Gaming Disorder“ missbrauchen könnten. Außerdem stellen die virtuellen Welten oftmals einen Rückzugsort vor anderweitigen Problemen dar. Wie andere Suchtkrankheiten auch könnte die Online-Sucht lediglich ein Symptom darstellen, die Diagnose selbst hilft dem Patienten jedoch nicht, die Ursachen zu bekämpfen.
Ärzte begrüßen den Eintrag
Bei vielen Ärzten und Psychologen trifft die Klassifizierung jedoch auf Zustimmung. Dass Menschen ihr soziales Umfeld vernachlässigen, ihre Gesundheit gefährden, weniger Zeit für ihren Beruf und ihre Ausbildung aufwenden: Das sind schon lange zu beobachtende Phänomene in der Gaming-Welt. Die Klassifizierung ist deshalb begrüßenswert, weil dadurch die Online-Sucht anerkannt wird. Mediziner und Psychologen, welche sich schon länger mit der Videospiel-Sucht beschäftigen, können sich auf mehr Gelder für die Forschung freuen. Vorbeugende Maßnahmen sollen dadurch entwickelt und die gesundheitlichen Folgen dieser Sucht untersucht werden können.
Letztlich hilft es auch einer anderen Gruppe von Betroffenen: den Angehörigen und Freunden der Spielsüchtigen. Viele Eltern wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen, wenn ihr Kind Gefahr läuft, immer mehr den Online-Welten zu verfallen. Auch erwachsene Menschen können sich abschotten, das Essen, Trinken, gar die Körperhygiene vernachlässigen. Dass die Gaming Disorder Folgen haben kann, lässt sich schwer von der Hand weisen. Schließlich werden die Süchtigen immer häufiger stationär behandelt. Durch den Katalogeintrag werden nun Krankenkassen gezwungen, Therapiekosten zu decken. Sachverständige Behandlung der Online-Sucht kostet Geld und benötigt Personal, welches sich mit der Materie auskennt. Durch den Eintrag sollten besorgte Eltern und Freunde schneller die richtige Hilfe finden können.
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