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Dracula: Die wohl berühmteste urbane Legende

Dracula – eine Welt ohne ihn ist heute kaum mehr vorstellbar. Bestseller und Blockbuster zeugen von der morbiden Faszination und dem unwiderstehlichen Reiz, den der Vampirfürst auf uns ausübt. Dabei ist die Legende von dem galanten, aber blutdürstigen Grafen noch keine zweihundert Jahre alt. Sie geht auf einen englischen Schauerroman des ausgehenden 19. Jahrhunderts zurück. Die historischen Wurzeln des Mythos‘ finden sich im mittelalterlichen Transsylvanien und erzählen von den furchterregenden Taten eines nach Rache lechzenden Herrschers.

Der wahre Dracula

Ja, es gab ihn wirklich! Fürst Vlad III. wurde 1431 geboren, trug den Beinamen Drăculea (Drachensohn) und war Herrscher über die Walachei, heute rumänisches Staatsgebiet. Seine Kindheit verbrachte er in türkischer Geiselhaft. Der eigene Vater hatte ihn zur Sicherung eines Waffenstillstandes den Osmanen übergeben. Der intelligente, aber gegen jede Autorität aufbegehrende Vlad erlebte eine von Gewalt und Unterdrückung geprägte Jugend.

Im Alter von 20 Jahren gelang ihm schließlich die Flucht. Besessen von der Gier nach Rache und Macht führte er Zeit seines Lebens Krieg gegen jeden, der ihm den Thron streitig machen wollte. Er hinterließ eine blutige Spur des Terrors. Nach Vlads Tod geriet sein selbstgewählter Name Drăculea in Vergessenheit, stattdessen nannte man ihn Vlad Țepeș, zu Deutsch: der Pfähler.

So blieb der rumänische Herrscher vor allem für seine favorisierte Hinrichtungsmethode in Erinnerung. Diese bestand darin, Verbrecher ebenso wie politische Feinde auf Holzpfählen aufzuspießen. Überhaupt wird ihm eine sadistische Freude am Foltern und Quälen nachgesagt. Legenden erzählen davon, wie Vlad inmitten der von ihm hinterlassenen Leichenfelder zu speisen pflegte und statt Wein das Blut seiner Feinde trank.

Es verwundert daher nicht, dass Vlad Drăculea über seinen Tod hinaus Angst und Schrecken verbreitete. Einem historischen Porträt des Feldherrn wurden die Augen ausgekratzt – bis heute ist unklar, wer den Blick des Abbildes fürchtete und warum. Und als man 1931 jenes Grab öffnete, in dem der geköpfte Leichnam des 1476 ermordeten Feldherrn bestattet worden sein soll, fand man es leer vor.


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Die Erschaffung eines Mythos‘

Dracula

Die Legende Draculas, wie wir sie heute kennen, geht auf den gleichnamigen Roman des Schriftstellers Bram Stoker zurück. Der Brite litt in seiner Kindheit jahrelang an einer rätselhaften Krankheit, die ihn ans Bett fesselte, ihn ins Delirium beförderte und dem Tod nahebrachte.

Diese Erfahrungen, ergänzt durch ein umfängliches Studium rumänischer Vampirsagen, bewegten Stoker zur Schöpfung seines Opus magnum. Darin erzählt er die Geschichte eines transsilvanischen Grafen mit Namen Dracula, der zu ewigem Leben verdammt ist und sich vom Blut Unschuldiger ernährt.

Um die Weltstadt London zu bereisen, verlässt er Rumänien. In England verliebt er sich unsterblich. Doch der Verlobte seiner Auserwählten und ein gewisser Professor Van Helsing können und wollen nicht zulassen, dass der mächtige Vampir die schöne Mina zu seiner Braut macht.

In einem frühen Vorwort soll Bram Stoker geschrieben haben, dass der Inhalt seines Buches sich genau so zugetragen habe. Ob der Schriftsteller, der bereits fünfzehn Jahre nach Veröffentlichung seines berühmtesten Romans starb, dies tatsächlich glaubte, oder ob es sich um einen findigen Marketingtrick handelte, werden wir wohl nie erfahren.

Fest steht dagegen, dass nicht Stokers Roman, sondern erst die diversen Leinwandadaptionen dazu führten, dass Dracula unwiderruflich Eingang in die Köpfe eines nach Horror hungrigen Publikums fand. Neben „Frankenstein“ (1910) zählt die Dracula-Adaption „Nosferatu, eine Symphonie des Grauens“ (1922) zu einem der ersten Vertreter des filmischen Gruselgenres.

Tod Browning, bekannt als Meister des Makabren, wagte sich 1931 an eine weitaus authentischere Umsetzung der Buchvorlage und prägte das Bild, das wir uns bis heute von dem Vampirfürsten machen. Zementiert wurde die blasse Gestalt mit den von Blut roten Lippen 1958, als Leinwandlegende Christopher Lee sich den schwarzen Umhang Draculas um die Schultern warf.


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Der Vampir als Sehnsuchtswesen

Dracula

Blicken wir zurück auf die Ursprünge der Vampir-Mythologie, so finden wir diese in der Folklore Osteuropas. Hier tauchen die Blutsauger als stinkende Untote auf, die in rasendem Blutrausch ganze Dörfer niedermetzeln. Erst Bram Stoker’s Dracula verband Bestie und Sexappeal, erschuf die Symbiose zwischen Galanterie und Grausamkeit, zwischen erhabener Schönheit und animalischer Besessenheit.

Kaum eine Vampirgeschichte kommt heutzutage ohne diesen paradoxen Zusammenschluss aus. Er findet sich nicht nur in dem Kultbuch „Interview with the Vampire“, das in den 1970er Jahren von Anne Rice geschrieben, 1994 mit Brad Pitt verfilmt und 2022 als TV-Serie neu aufgelegt wurde.

Auch die romantisch-kitschige Jugendbuchreihe „Twilight“(2005) greift auf den Zusammenklang von ungezügeltem Blutdurst und erotischer Verführung zurück.

Die Vampire des 20. und 21. Jahrhunderts sind aparte, kultivierte Wesen und ihre unschuldigen Opfer derart betört, dass sie, getrieben von Verlangen oder dem Wunsch nach Unsterblichkeit, ihre Kehlen bereitwillig darbieten.

Dank Draculas Einfluss ist der moderne Vampir weniger Monster als Sehnsuchtswesen und entwickelt sich in seiner konkreten Gestalt permanent weiter. So wurden um die Jahrtausendwende weibliche Ebenbilder Draculas zum Leben erweckt. Sängerin Aaliyah verkörperte 2002 „Die Königin der Verdammten“ und Kate Beckinsale eröffnete ein Jahr später die mittlerweile sechsteilige Filmreihe „Underworld“.

Die Legende Draculas ist in den vergangenen hundert Jahren über sich selbst hinausgewachsen, hat Triebe und Blüten ausgebildet, von denen Bram Stoker nicht zu träumen wagte. Die von ihm erschaffene Figur gilt heute als die Urverkörperung des Vampirs und spukt als Schauergeschichte und ultimative urbane Legende in unser aller Köpfe herum.


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Dracula als Figur der Popkultur

Dracula

Vom Halloweenkostüm inklusive Plastikgebiss über jedes nur erdenkliche Merchandise-Produkt bis hin zum Superfan, der sich per Body-Modification die stumpfen Beißer zu Fangzähnen feilen lässt; die Dracula-Legende ist inzwischen fester Bestandteil unserer Popkultur.

Der Urvater des modernen Vampirs begegnet uns an den unwahrscheinlichsten Orten. Das verträumte Küstenstädtchen Whitby etwa schlägt Profit daraus, dass Bram Stokers blutdürstiger Romanheld hier zum ersten Mal britischen Boden betreten haben soll. Auch die rumänische Hauptstadt Bukarest verfügt über ein eigenes Dracula-Museum, inklusive einer lebensgroßen Nachbildung des Fürsten Vlad Drăculea, mit dem mutige Touristen Selfies schießen können.

Natürlich gibt es auch ein Dracula-Musical. Die Komposition von Frank Wildhorn wurde 2001 uraufgeführt und wird bis heute in deutschen Theaters gezeigt.

Selbst das Comic-Imperium Marvel ließ es sich nicht nehmen, den Vampirfürsten als Bösewicht zu adaptieren. In der Kultserie „Die Simpsons“ tritt Dracula als republikanischer Politiker in Erscheinung und in der Komödie „Nie wieder Sex mit der Ex“ (2008) stiehlt er als singende Puppe den Hollywood-Stars Mila Kunis und Jason Segel die Show.

Meisterregisseur Francis Ford Coppola belebte Bram Stokers Gothic-Roman 1992 neu und erschuf dank eines genialen Casts, der sich aus Gary Oldman, Keanu Reeves, Winona Ryder und Anthony Hopkins zusammensetzt, mit Bram Stoker’s Dracula einen modernen Kultfilm.

Die Leinwandadaption „Dracula Untold“ von 2014 orientierte sich erstmals an den historischen Mythen, die sich um die Figur Vlad Drăculea ranken. Hauptdarsteller Luke Evans hatte das perfekte Gebiss für die Rolle: seine Eckzähne sind von Natur aus besonders lang und spitz.

Auch Netflix kam nicht drum herum, die alte Legende vom transsilvanischen Vampirfürsten neu aufzulegen. Gemeinsam mit BBC One gab der Streamingdienst eine Dracula-Miniserie in Auftrag, die 2020 anlief und eine der aktuellsten, wenn auch nur lose am Original orientierte Interpretation des Stoffes ist.

Der von Darsteller Claes Bang gemimte Netflix-Dracula wird nicht der letzte gewesen sein, den Autoren und Filmproduzenten auf eine noch immer horrorhungrige Gesellschaft losgelassen haben. Ob als Monster oder Sehnsuchtswesen, es ist sehr wahrscheinlich, dass uns die Legende Draculas um viele Jahr überleben wird – ganz, wie es seiner unsterblichen Natur entspricht.

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Quellen:
  • https://www.romaniaforall.com/dracula-myth-history/
  • https://www.welt.de/kultur/history/article1362768/Der-Mythos-von-Dracula.html
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Vlad_III._Dr%C4%83culea
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Dracula_(Roman)
  • https://www.express.de/panorama/die-wahre-geschichte-vom-vampir-dracula-37065?cb=1678719564424

 

Bilder: ArtificialDigitalArt, XtravaganT, Iobard, fergregory / stock.adobe.com

Aline Röse
Aline Röse
Aline Röse ist freie Autorin mit einem Tätigkeits- und Bildungshintergrund in der Medienbranche und Kulturwissenschaft. Ihr Herz schlägt für Horror, Hollywood und alles Literarische. Mit Vorliebe spürt sie den ungewöhnlichen und obskuren Seiten der Themen, Lebensläufe und Persönlichkeiten nach, zu denen sie recherchiert. Das Schlagen popkultureller Brücken und ein Auge fürs Detail kennzeichnen ihren Schreibstil.

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