Anders – authentisch – Andreas
Andreas Guenther ist Schauspieler aus Leidenschaft. Schon immer wollte er in verschiedenste Rollen schlüpfen und ihnen das gewisse Extra verpassen. Heute gehört er zu den begehrtesten Charakterdarstellern der deutschen TV-Branche, seine Vita liest sich hervorragend. Der Wahl-Berliner ist aber auch bekannt für seinen guten Style. Im Interview erklärt er, wieso er Frauenbrüste tragen musste und dass ein Bier am Strand von Bora Bora für ihn wahnsinnig sexy wäre.
Als Schauspieler musst du in ganz verschiedene Rollen schlüpfen. Mal der coole Kommissar, mal der gebrochene Kerl, mal ein Mann, der eigentlich eine Frau sein möchte. Wie sehr hilft dir Mode, dich in die Rolle einzufühlen?
Klamotten sind ein wahnsinnig wichtiger Bestandteil, der Figur näher zu kommen. Mode ist Ausdruck einer Haltung dem Leben gegenüber. Bei „Pöschel“ (Kommissar im „Polizeiruf 110 Rostock“/ARD) haben wir von Anfang an versucht, ihn cool aussehen, aber dabei auch immer ein wenig drüber sein zu lassen. Pöschel ist ja auch als Kommissar immer etwas drüber, auch beim Lösen eines Falles sticht Pöschel aus dem ganzen Polizeiruf-Team heraus. Mode ist hierbei für das Formen der Figur sehr wichtig, auch um mich als Schauspieler in ihn reinzufühlen. Warum zieht er an, was er anhaut? Ich spreche darüber auch mit meiner Kostümbildnerin. Und es ist so: Sobald ich eine Film-Klamotte anziehe, macht das was mit mir. Ich ziehe mein privates „Ich“ aus und schlüpfe in eine andere Klamotte, die dann zu meiner wird.
Eine lustige Geschichte gab es bei „Doc meets Dorf“ (RTL): Da habe ich Brüste verpasst bekommen. Fünf Stunden lang wurden mir Brüste auf den Leib geschneidert. Morgens um 4 haben wir in der Maske angefangen, morgens um 9 begann dann der Dreh. Da fühlt man sich als Mann dann sehr sehr komisch. Wenn man plötzlich Brüste an sich hat, ist das was ganz spezielles. Einerseits war es schon interessant, mal seine eigenen weiblichen Brüste zu haben und daran rumspielen zu können. Auf der anderen Seite ist es aber auch etwas sehr fremdes. Ich war froh, als sie wieder abgenommen wurden…
Musst du denn eine gewisse Sympathie für deine Rolle haben, um sie spielen zu können?
Puh, das ist eine schwierige Frage. Man muss sich seinen Figuren immer annähern. Es gibt Rollen, die sind schwer. Bei „Letzte Spur Berlin“ musste ich im letzten Jahr einen Soldaten spielen, der in Afghanistan war. Er kam mit dem Erlebten nicht klar und hat seine Frau geschlagen. So was zu spielen, ist sehr herausfordernd. Man muss sich in seine Rolle reinleben und sie verstehen lernen. Warum ist der so? Ich glaube ja fest daran, dass Menschen nicht einfach so böse sind. Sie haben irgendwann irgendwas erlebt, dass ihnen einen Knacks verpasst hat. Und diesen muss man ergründen.
Ich muss meine Figuren, die ich spiele, in mein Herz schließen. Egal, was sie machen, ich muss sie an mich ranlassen, erst dann kann ich sie authentisch darstellen.
Wieviel nimmt man von seinen Rollen mit nach Hause? Ist es oftmals schwer, wieder in der Realität anzukommen?
Ja, von solchen Rollen ist es tatsächlich schwer, schnell wieder Abstand zu gewinnen. Mir geht es so. Die Rollen berühren einen sehr. Man arbeitet ja auch mit seinen eigenen Gefühlen. Und Gefühle kann man nicht abstellen, das sind Prozesse. Ich gebe ja auch ein Stück von mir in die Rolle. Die Rolle bleibt immer ein Teil von mir. Das ist auch eine Gratwanderung. Manchmal gelingt es einem besser, mal schlechter, eine Rolle abzuschütteln.
Wie bist du denn privat? Beschreib dich doch mal in 10 Wörtern.
Neugierig, offen, interessiert, sensibel, manchmal auch gerne wahnsinnig faul = Sofa
Du bist ja auch auf der Fashion Week unterwegs. Wie wichtig ist dir Fashion privat – und auf was achtest du persönlich bei der Wahl deines Outfits?
Die Fashion Week finde ich spannend, Mode ist ein interessantes Thema. Und noch dazu sieht man viele wahnsinnig hübsche Models, was natürlich auch toll ist!
Privat bin ich sehr entspannt, was Mode betrifft. Ich muss mich wohl fühlen und die Sachen müssen gut sitzen. Gerne trage ich Jeans, dazu ein Longsleeve oder T-Shirt. Ich weiß aber ganz genau, welche Jeans ich anziehe, welches Shirt ich wähle, und ich glaube, ich weiß, was mir steht. Mode ist so wachsend wie wir selber. Wir wachsen mit der Mode und die Mode wächst mit uns. Mittlerweile mag ich sogar Sakkos sehr. Vielleicht auch, weil ich älter geworden bin. Es gibt gute und es gibt schlechte Sakkos. Die, dir mir passen, sind Drykorn-Sakkos, da weiß ich: Die passen einfach, da muss nichts umgenäht werden. Es ist ein Glückstreffer, wenn man weiß, welche Marke einem passt.
Du gehörst zu den Schauspielern, die das ganze Jahr über gut gebucht sind und nicht viele drehfreie Wochen haben. Wie verbringst du deine spärliche Freizeit? Wo trifft man dich?
Gott sei Dank ist das so, das war nicht immer so. Wenn ich Zeit habe, gehe ich wahnsinnig gerne gut essen, trinke einen guten Wein, am liebsten mit Freunden. Unter Freunden zu sein, das ist für mich Lebensqualität. In Berlin trifft man mich beispielsweise im „Borchardt`s“, da bin ich gerne, da kenne ich viele Leute, da fühle ich mich wohl. Und natürlich trifft man mich auf dem Golfplatz, da kann ich entspannen, mich konzentrieren.
Fällt es dir manchmal schwer, dich zu entspannen?
Ja, manchmal fällt es mir tatsächlich schwer, gerade wenn man einen anstrengenden Dreh hinter sich hat. Man ist bei Dreharbeiten eine lange Zeit mit vielen Menschen zusammen. Dann kommt man nach Hause und fällt dann manchmal fast in ein Loch: Eine Aufgabe ist weg, dann ist es schwer, wieder runterzufahren von dem hohen Energie- und Konzentrationslevel. Aber ich versuche dann, ein paar Tage für mich zu sein, alleine zu sein, runterzukommen. Schaue dann gerne amerikanische Serien auf DVD. Gerade freue ich mich auf „True Detective“. Dabei kann ich gut abschalten.
Stichwort Urlaub. Gibt es einen Ort auf der Welt, den du unbedingt einmal besuchen möchtest?
Einen Ort habe ich schon besucht, den ich als Kind immer erleben wollte: Rio de Janeiro. Das war gigantisch! Habe früher immer gedacht: Mann, wenn ich da einmal sein könnte… Vor zwei Jahren hab ich mir nun tatsächlich den Traum erfüllt und war dort! Meine Erwartungen wurden voll erfüllt! Diese Offenheit dort, das Strahlen der Leute im Gesicht, diese Lebensfreude… Den meisten Menschen geht es da nicht so gut, aber die strahlen trotzdem Freude aus. Als ich zurück in Berlin war, war es schon etwas deprimierend. Uns geht es hier doch eigentlich so gut und trotzdem gucken alle muffelig… Die Brasilianer sehen das Glas halbvoll, wir halbleer.
Wo ich gerne einmal hinmöchte, wäre sowas wie Bora Bora, also ein richtiges Südseeparadies. Da am Strand sitzen, aufs Meer schauen und ein schönes kaltes Bier trinken, das fände ich schon ziemlich sexy. Das ist aber erst mal nur ein Traum…
Wenn du zu Dreharbeiten oder in den Urlaub fährst – was gehört unbedingt in dein Gepäck?
Mein Drykorn-Sakko muss immer dabei sein. Ne gute Jeans, zwei Hemden, weißes T-Shirt, Zahnbürste und Zahnpasta…
Als Schauspieler beobachtet man viele Menschen oder taucht in neue Berufe ein, um sich auf Rollen vorzubereiten. Gäbe es, neben dem Schauspielern, einen Job, den du gerne ausüben würdest? Kommissar zum Beispiel?
Wenn ich als Schauspieler keine Angebote mehr hätte oder nicht mehr davon leben könnte, dann hätte ich einen Plan B: Ich würde zurück an den Bodensee nach Konstanz gehen (Andreas hat lange in Konstanz gelebt). Dort gibt es zwei coole Läden, das „Restaurant Bodan“ und die „Rheinterrasse“, da würde ich arbeiten und mein Geld verdienen, in meiner Freizeit würde ich Golf spielen. Am Bodensee ist die Welt noch in Ordnung, vielleicht würde ich sogar Heiraten (lacht). Aber das Schauspielern ist die Liebe meines Lebens. Mein Job ist das tollste für mich. Tue das, was du tust, mit Liebe, dann wirst du nicht einen Tag in deinem Leben arbeiten – so ist das für mich. Ich sehe es als Geschenk, dass ich diesen Beruf ausüben darf.
Du lebst in Berlin. Was gefällt dir an der Hauptstadt?
Auf der einen Seite diese Anonymität, auf der anderen diese Veränderungen. Irgendwas ist immer neu, es gibt ständig neue Restaurants oder Clubs – die Stadt ist ständig in Bewegung, das ist toll. Berlin ist aufregend, und überhaupt nicht typisch deutsch, sondern sehr international. Die Stadt lebt, die pulsiert. Manchmal ist es mir aber auch zu viel. Und dann liebe ich diese Anonymität.
Berlin kann aber auch deprimierend sein: In keiner anderen deutschen Stadt sieht man den Querschnitt der Gesellschaft so deutlich wie hier. In Berlin merkst du sofort, wie es Deutschland geht. Die Stadt ist auch hart, hier kann einem das Leben ins Gesicht schlagen, hier ist nicht alles schick, im Gegenteil.
Du bist jetzt 40. War dieser Geburtstag einschneidend? Hast du ein Problem mit dem Älterwerden?
Ja, ganz klares Ja! Ich bin letztes Jahr 40 geworden, da ist auch wirklich was mit mir passiert. Ich fühle mich zum ersten Mal in meinem Leben älter. Mittlerweile muss ich mehr Sport machen, um fit zu werden. Alles wird einfach etwas schwerer. Dazu bin ich auch noch ein Hypochonder, was die Lage manchmal auch nicht besser macht. Und, was ganz auffällig ist: Ich brauche jetzt 1,5 Tage, um mich vom Ausgehen zu erholen. Früher konnte ich zwei Nächte hintereinander Durchmachen, das geht heute leider nicht mehr (Lacht).
Andreas Guenther im TV:
02.11. um 20.15 Uhr
ARD: Polizeiruf 110 – Familiensache
Sebastian Vettel: Die Meisterklasse
Titelfoto: Georg Meierotto / www.georgmeierotto.com