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Bloody Mary: Der Horror aus dem Spiegel

Es handelt sich um eine der wohl furchteinflößendsten und berühmtesten urbanen Legenden: Bloody Mary! Wer sie ruft, dem erscheint im Spiegel das grauenerregende Antlitz einer toten jungen Frau, die nach blutiger Rache trachtet.

Jene, die sie erblickt haben, berichten von einer blassen, blutverschmierten Gestalt, von einer grässlich entstellten Fratze oder einem verrotteten Leichnam, der seine Hand nach dem Betrachter ausstreckt. Wer Glück hat, kommt mit dem Schrecken davon. Wer Pech hat, der wird angefallen, verstümmelt, erwürgt.

Erste Belege für die Spiegelbeschwörung der Blutigen Mary finden sich bereits im 19. Jahrhundert. Seither wurde die Legende von Generation zu Generation weitergetragen; an Lagerfeuern, auf Pyjama-Partys und Schulhöfen erzählt und erprobt. Längst hat Mary die Grenzen ihres Spiegeldaseins gesprengt. Sie starrt uns von Kinoleinwänden und Fernsehbildschirmen entgegen. Selbst der Sprung in die Virtual Reality ist ihr gelungen.

Doch welcher wahre Kern verbirgt sich in der berüchtigten Urban Legend? Und wie erklärt sich die Wissenschaft das Phänomen des Horrors aus dem Spiegel?

Die Ursprünge der Legende

Bloody Mary

Woher der urbane Mythos um die angeblich in unser aller Spiegel hausenden Geisterfrau namens Mary stammt, darum ranken sich gleich Dutzende von Legenden. So ist von dem rachedurstigen Geist einer gewissen Mary Worth die Rede, deren furchtbar entstelltes Gesicht sie im Massachusetts des 17. Jahrhunderts zum Gespött der Leute machte. Sie wurde gemieden, bespuckt und auf offener Straße von Kinderscharen verfolgt, die im Chor den Spottnamen Bloody Mary brüllten. Ihr Ende fand Mary Worth auf dem Scheiterhaufen – sie wurde als Hexe verbrannt und sucht seither all jene heim, die sie bei ihrem verhassten Spottnamen rufen.

Aus Michigan dagegen stammt die Legende, Mary wäre ein junges Mädchen gewesen, das man lebendig begraben hätte. Andere Überlieferungen erzählen die Geschichte einer verunfallten jungen Frau, die schreckliche Entstellungen erlitt und seither Rache an all jenen nimmt, die das Privileg eines unversehrten Spiegelbildes besitzen.

Darüber hinaus wird der Geist der Blutigen Mary mit Englands erster Königin Mary Tudor in Verbindung gebracht. Die mit Haut und Haar dem katholischen Glauben verschriebene Regentin ließ mehrere hundert Protestanten wegen Ketzerei verbrennen und ging darum als Bloody Mary in die Geschichte ein. Jeder, der nicht getauft ist, hat also guten Grund, den Geist der einstigen Herrscherin zu fürchten.


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Die Beschwörung der Blutigen Mary

Es braucht nicht viel, um den Geist der ewig rachsüchtigen Mary zu erwecken: Einen stockfinsteren Raum, einen Spiegel, eine Kerze und natürlich eine gehörige Portion Mut! Wer sich traut, löscht alles elektrische Licht, entzündet eine Kerze oder auch nur ein Streichholz und betrachtet sich selbst im Spiegel. Um den Spuk perfekt zu machen, muss dann nur noch die Beschwörungsformel gesprochen oder geflüstert werden: Bloody Mary! Je nach Überlieferung soll man ihren Namen drei, dreizehn oder sogar neunundneunzig Mal wiederholen.

Um Punkt Mitternacht durchgeführt, soll das Ritual besonders erfolgversprechend sein. Auch das Aufstellen weiterer Kerzen wird gelegentlich empfohlen. Am ehesten lässt sich Mary von Einzelstreitern aus ihrem Spiegelversteck hervorlocken. Sind mehrere Personen anwesend, so sollte die Beschwörungsformel im Chor gesprochen werden.

Sobald Marys Geist erscheint, tut man gut daran, schnellstmöglich den Lichtschalter zu suchen. Andernfalls drohen blutige Konsequenten – so immerhin besagt die Legende. Von einer Hand, die die Barriere des Spiegels durchbricht, wird berichtet. Lange, faulige Fingernägel, die dem Betrachter das Gesicht zerkratzen. Alternativ erblickt selbiger statt der rachsüchtigen Geisterfrau sein eigenes blutüberströmtes Spiegelbild, bekommt Nasenbluten oder gar einen Blutsturz.

Nur Aberglaube oder echte Gefahr?

Bloody Mary

Wer die Spiegelbeschwörung von Bloody Mary für nichts weiter als Humbug hält, wird überrascht sein, die wissenschaftliche Meinung zu dem gar nicht so ungefährlichen Party-Gag zu erfahren. Bereits in den 1970er Jahren begann die Volkskundlerin Jane Langlois zu der alten Legende zu forschen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Horrorfrau aus dem Spiegel in über hundert verschiedenen Variationen existiert und auch unter den Namen Bloody Bones und Helly Mary bekannt ist.

Menschen auf der ganzen Welt sind mit der urbanen Legende vertraut und geben zu, auch selbst schon einmal an dem Bloody-Mary-Spiel partizipiert zu haben. Nicht Wenige spürten oder sahen, wie ein Gesicht, das nicht das ihre war, aus dem Spiegel zurück glotzte.

Gibt es ihn also wirklich, den Geist der Blutigen Mary? Die moderne Hirnforschung weiß Rat und erklärt die schaurigen Erscheinungen folgendermaßen: Das menschliche Gehirn ist darauf programmiert, Gesichter zu erkennen; ob auf getoasteten Brotscheiben, in Wolkenformationen oder auf Häuserfassaden – wir sehen sie einfach überall. Das Phänomen hat sogar einen Namen: Pareidolie.

Wer bei flackerndem Kerzenschein in einen Spiegel starrt, ist also quasi dazu verdammt, in dem flimmernden Spiel aus Licht und Schatten eine verzerrte Fratze oder geisterhafte Gestalt zu erblicken. Der Nervenkitzel der Spiegelbeschwörung ist darum absolut real, wenn auch nicht übernatürlich, und sollte keinesfalls auf die leichte Schulter genommen werden.


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Bloody Money mit der Blutigen Mary

Bloody Mary
Der Cocktail „Bloody Mary“

Längst ist auch die Industrie auf das Grusel-Geschäft um Bloody Mary aufmerksam geworden. Es gibt sie als Cocktail und als Halloweenkostüm. Als Urban Legend ist sie fester Bestandteil des Horrorgenres. Neben ähnlichen Figuren wie Candyman, Slenderman oder Bogeyman hat die Blutige Mary ihren angestammten Platz in der Film- und Fernsehwelt.

Im Jahr 2006 etwa erschien der Slasher-Film „Bloody Mary“, in dem eine Gruppe junger Krankenschwestern den Geist einer im Spiegel gefangenen Hexe befreit. Auch im dritten Teil der Erfolgsreihe „Paranormal Activity“ (2011) beschwören zwei Mädchen die rachsüchtige Mary; wie immer in dem Found-Footage-Schocker ist die Amateurkamera mit von der Partie und nimmt das gesamte Ritual auf Video auf. In „Düstere Legenden III“ (2005) verschwinden drei Highschool-Schülerinnen, nachdem sie die 1969 brutal ermordete Mary Banner anrufen. Auch Grusel-Serien wie Charmed, Supernatural, Ghost Whisperer, Akte X und sogar South Park griffen die urbane Legende auf.

Popstar Lady Gaga brachte 2011 einen gleichnamigen Song auf den Markt und auch die Videospiel-Branche ließ sich nicht lange bitten. In der bei Fans von Wimmelbildern und Storytelling beliebten Grim Tales-Collection erschien 2014 ein Teil, der auf dem bekannten Mythos basiert. In einem Survival-Horror-Game von 2019 wandelt Mary auf den Spuren des berüchtigten Slenderman-Games. Und selbst als Figur der Virtual Reality treibt sie in „Escape Bloody Mary“ (2016) ihr Unwesen.

Wem die virtuelle Realität dagegen nicht gruselig genug ist, der kann sich jederzeit mit Spiegel und Kerze bewaffnen und auf das originale Bloody-Mary-Spiel zurückkommen. Denn nicht nur die urbane Legende, auch die Wissenschaft beweist, wer nur lang genug in einen schummrig beleuchteten Spiegel starrt, dessen Gehirn wird ihm den Wunsch nach einer schrecklich schauerhaften Erfahrung erfüllen. In diesem Sinne: Be careful what you wish for!

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Quellen:
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Bloody_Mary_(Moderne_Sage)#:~:text=Bloody%20Mary%20ist%20der%20Name,Jugendlichen%20gro%C3%9Fer%20Beliebtheit%20und%20Bekanntheit.
  • https://scary.fandom.com/wiki/Bloody_Mary
  • https://www.gwup.org/component/content/article/88-okkultismus/772-das-boese-im-spiegel
  • https://www.geister-und-legenden.de/bloody-mary

 

Bilder: chandlervid85, EwaStudio / stock.adobe.com

Aline Röse
Aline Röse
Aline Röse ist freie Autorin mit einem Tätigkeits- und Bildungshintergrund in der Medienbranche und Kulturwissenschaft. Ihr Herz schlägt für Horror, Hollywood und alles Literarische. Mit Vorliebe spürt sie den ungewöhnlichen und obskuren Seiten der Themen, Lebensläufe und Persönlichkeiten nach, zu denen sie recherchiert. Das Schlagen popkultureller Brücken und ein Auge fürs Detail kennzeichnen ihren Schreibstil.

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