Wir wissen alle, dass wir an unserer Beweglichkeit arbeiten sollten, um die vollen Bewegungsumfänge nutzen zu können. Aber ständig lesen wir von Mobility-Training, aber kaum einer weiß, dass das nicht gleichzusetzen ist mit Stretching.
Unter Stretching verstehen wir in der Regel das statische Dehnen, bei dem eine bestimmte – meist sehr unangenehme – Position eingenommen wird, die dann für einen scheinbar nie enden wollenden Zeitraum gehalten wird. Aua, das tut weh, ist unangenehm, langweilig und baut keine Muskulatur auf – ich bin ein Kerl, ich brauch so einen Quatsch nicht! Beweglichkeit ist was für die Mädels… *hust* – sag das mal Jean Claude Van-Damme. Wir sprechen dann nach eurem Date weiter.
Weshalb Mobility und Stretching nicht nur etwas für Frauen ist
Spaß beiseite. Stretching ist wirklich unangenehm, aber sinnvoll, oder? Nun ja, beim Stretching haben wir ein großes Problem: Es spricht in erster Linie die Muskulatur an. Klingt jetzt erst einmal komisch. Wieso sollte das ein Problem sein? Wir wollen ja unsere „verkürzte“ Muskulatur ansprechen, oder? Nein. Zunächst einmal sind Muskeln elastisch, das heißt, ihr könnt sie euch, stark vereinfacht, wie ein Gummiband vorstellen, das ihr in die Länge zieht und das dann wieder in seinen Ausgangszustand zurückgeht.
Klar, es ist nach einer Weile nicht mehr ganz der gleiche Zustand, sondern das Gummi wird etwas länger, aber das dauert leider sehr lange. An Ursprung und Ansatz der Muskulatur, was meist bei den entsprechenden Gelenken liegt, die durch den jeweiligen Muskel bewegt werden, schützen Bänder und Kapseln die Muskulatur. Und die sind nicht elastisch. Genau so wenig wie unsere Faszien. Faszien sind grob gesagt Bindegewebe, das unsere Muskeln schützt. Ihr kennt das von Geflügel. Wenn ihr dies aus der Packung nehmt, ist oft so eine dünne weiße Schicht noch auf dem Fleisch. Das sind die übrig gebliebenen Faszien des Huhns. Wir müssen eben diese unelastischen Teile des Körpers bearbeiten, um wirklich die volle Range of Motion (ROM) einnehmen zu können und den Haltungsschäden, die wir uns durch unsere alltäglichen Fehlhaltungen an Schreibtisch, Auto und Bürositz, eingehandelt haben.
Das funktioniert wiederum nicht mit Stretching, sondern Mobility Training, bei dem wir versuchen, in dynamischer Art und Weise die schwierigen Positionen einzunehmen. „Difficulty describes the need“, sag ich immer. Du kannst nicht in einen tiefen Squat kommen, ohne dass sich deine Fersen heben? Dann übe Squats. Gerade Übungen mit externem Gewicht oder mit einem Strength Band eignen sich dazu, an der Beweglichkeit zu arbeiten. Vor allem die Strength Bands sind super, denn sie ziehen, richtig eingesetzt, erst einmal eure Extremität in die für sie vorgesehene Position, aus der sie aufgrund der Fehlhaltungen rausgerutscht sind, bevor wir dann in die Bewegung reinarbeiten.
Du kommst aber mit den Händen hinter dem Rücken zusammen? Mit gestreckten Beinen kannst du die Handflächen auf dem Boden ablegen? Alles kein Problem? Dann „use it or loose it“, wie Ido Portal immer predigt. Wer rastet der rostet.
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