Tomas (Johannes Bah Kuhnke) und Ebba (Lisa Loven Kongsli) sind mit ihren beiden Kindern Vera und Harry (Clara und Vincent Wettergren) in den französischen Alpen zum Ski-Urlaub. Als während einer Pause auf der Restaurant-Terrasse plötzlich eine kontrolliert ausgelöste Lawine immer näher kommt und sie zu überrollen droht, nimmt Tomas lieber die Beine anstatt Frau und Kinder in die Hände und bringt sich in Sicherheit.
Obwohl alle Betroffenen die Beinahekatastrophe ohne Schäden überstehen, ist das Vertrauensverhältnis zwischen Tomas und Ebba gebrochen. Zumals Tomas an seiner eigenen Version der Ereignisse festhält und felsenfest behautet, er sei nicht davon gelaufen.
Mit jedem Tag wird der Urlaub für das Paar schwieriger und auch Vera und Harry leiden unter dem Zustand der Eltern. Doch wie geht man mit solch einer Situation um?
Wann ist der Mann ein Mann?
„Was ist ein Mann wert, der seine Familie im Stich lässt?“, könnte eine zentrale Botschaft des Films „Höhere Gewalt“ sein. Genauso gut könnte sie aber auch lauten, „Müssen Männer immer die starken Helden sein?“. Denn irgendwo um diese Fragen kreist Ruben Östlunds Film. Man(n) hätte Mut und Opferbereitschaft zeigen sollen und hat es nicht.
Und dieses erdrückende Gefühl zelebriert der Film. Denn er schöpft die Energie der Erzählung aus dem Aushalten der Momente und einzelnen Einstellungen, in denen wenig bis nichts passiert. Um dann wieder in Momente umzuschwingen, in denen es aus den Protagonisten heraus- und über den Zuschauer hereinbricht, als wäre alles zu spät. Von genau dieser Erzählweise lebt der Film, der in realistischem Look und ohne künstlich erhöhte Situationen das unvorhergesehene Leiden einer kleinen Familie beschreibt.
Und ebenso wie „Höhere Gewalt“ erzählerisch stark auftritt, kommen auch seine Darsteller daher. Angefangen von Clara und Vincent Wettergren, die die beiden Kinder spielen, sowie Fanni Metelius und Kristofer Hivju, als Freunde der Eltern, bis hin zu den beiden Hauptdarstellern Johannes Bah Kuhnke und Lisa Loven Kongsli. Jeder einzelne Charakter, egal ob Kinderschauspieler oder Erwachsener, funktioniert und agiert so, dass man zu keinem Augenblick an Handlungen und Motivationen zweifelt.
Aber gerade auf Grund dieses Settings macht es der Film dem Betrachter nicht leicht. So emotional mitreißend er ist, so anstrengend ist er auch. Der Zuschauer wird in die Ereignisse hineingezogen und muss das zähe Leiden, das kurz nach Beginn des Films einsetzt, ertragen, ohne eingreifen zu können. So foltert der Film den Beobachter, der sich der Folter jedoch nicht entziehen mag und der dem Ende entgegen fiebert, schwankend zwischen Hoffnung und Angst, wie die Geschichte wohl endet.
Nichts für zwischendurch
„Höhere Gewalt“ ist in der Tat keine einfache Kost. All jene, die leichte Hollywood Komödien und Blockbuster zu ihren Favoriten zählen, dürften sich sehr schwer tun mit diesem Streifen. Dennoch sei „Höhere Gewalt“ allen Filmfreunden ans Herz gelegt. Denn wer es schafft sich auf die Geschichte einzulassen, erhält eine beeindruckende, knapp zweistündige, Darbietung, die zum mit- und nachdenken anregt.
Kinostart: 20. November 2014
Kinoposter: Alamode Film