AjoureLifestyleNackt durch Berlin: Florian David Fitz und sein neuer Kinofilm „100 Dinge“

Nackt durch Berlin: Florian David Fitz und sein neuer Kinofilm „100 Dinge“

Dank Florian David Fitz wird der Kino-Dezember ab dem 06.12.2018 so heiß, wie schon lange nicht mehr, denn dann startet „100 Dinge“. Wenn er etwas gut kann, dann Drehbücher schreiben, regieführen und schauspielern. Bei seinem neuen Film „100 Dinge“ hat er gleich alle drei Dinge vereint und erschafft an der Seite von Matthias Schweighöfer, Katharina Thalbach und Miriam Stein eine tiefgründige und sehr humorvolle Komödie, die den Zuschauer an manchen Stellen das eigene Leben hinterfragen lässt. Florian, der sich extra zu den Dreharbeiten von einem Personal Coach aufpumpen ließ, flitzt während des Filmes mit Matthias immer mal wieder nackt durch Berlin. Dreharbeiten, die es in sich hatten – bei teilweise -25°C. Worum es in „100 Dinge“ geht und wie er persönlich zum Punkt „Konsum = Glück“ steht, haben wir ihn im Berliner Vorzeigehotel De Rome gefragt. So viel sei vorab verraten: Wir alle haben viel gelacht.
 

Du hast sowohl das Drehbuch geschrieben, als auch Regie geführt. Das Resultat ist ein sehr guter Film, der nicht nur lustig ist, sondern definitiv zum Nachdenken anregt. Ist dir die Umsetzung von der Idee bis zum Final Cut leichtgefallen, oder war es sehr schwierig, alles so auf den Punkt zu bringen?

Es ist natürlich ein großer Vorteil, wenn du das Buch geschrieben hast, da du dich dann nicht erst in die Story reinlesen musst. Dann kommt hinzu, dass ich auch als Schauspieler bereits weiß, wie ich die Figur (Paul) zu spielen habe, da ich ihn ja in- und auswendig kenne. Was schwierig ist, ist die ganzen Locations für den Film zu finden. Ich denke, das Organisatorische war die größte Herausforderung. Der halbe Film spielt in leeren Wohnungen, das ist jetzt per se visuell nicht sehr spannend. Da muss man schon etwas Besonderes finden, dass das dann immer noch Kinobilder sind. Und genau hier hatten wir großes Glück. Wir haben einen Ort gefunden, den ich bereits vor ein paar Jahren einmal gesehen habe. Eine alte Stahlglaskonsturktion auf dem Dach einer Fabrik. Wir hatten das schon mehrmals angefragt und immer Absagen bekommen und dieses Mal habe ich gesagt, dass ich alles mache, wenn wir diese Location bekommen. Ich hätte mich prostituiert, um das Motiv zu bekommen. Aber das wollte dann doch keiner und wir haben unter vielen Auflagen die Zusage bekommen. Und das hat sich gelohnt, die Aussicht und die wechselnden Lichtstimmungen sind unglaublich toll für den Film.

Dann kommen diese ganzen super Schauspieler, die ja alle von selber was mitbringen. Die müssen ja die Geschichte mit Leben erfüllen. Hannelore Elsner, Kathi Thalbach, Wolfgang Stumpf, Miriam Stein, Matthias und all die anderen bringen ja was mit ans Set. Wichtig ist nur, dass alle ein Gefühl dafür bekommen, in was für einer Geschichte sie mitspielen. Da haben wir eine sehr lustige Leseprobe gemacht, das war für alle toll und interessant. Man bekommt einen Vorgeschmack auf das Ganze.

Wie bist du auf die Idee zu der Story „100 Dinge“ gekommen?

Wir haben das im Prinzip wie immer gemacht. Ich habe einen kleinen Ordner mit Ideen und immer, wenn mir etwas einfällt oder irgendwo auffällt, dann notiere ich mir das. Und das Thema Minimalismus begegnet uns heute sehr häufig. Dann kam hinzu, dass ich vor fünf Jahren eine Doku gesehen habe, in der es kurz gesagt darum ging, dass eben eine Person alles, was er besaß, weggegeben hat und nur eine Sache zurückholte. Da dachte ich mir, dass das eigentlich ein guter Ausgangspunkt für einen Film wäre. Die Story danach entwickelt sich natürlich ganz anders.

Die Hauptfrage des Films beschäftigt sich mit: Konsum = Glück. Was denkst du darüber?

(lacht) Du willst also meine Lehre aus dem Film wissen? Naja, ich versuche es im Film nicht allzu deutlich zu machen, das wäre ja langweilig, wenn man den Leuten die Antwort komplett vorgibt. Je mehr ich mich da reingeguckt habe, desto interessanter fand ich es, dass, wenn man es in eine Nussschale packt, der Kapitalismus davon lebt, dass wir immer etwas wollen. Das ist der Antrieb und deshalb funktioniert das auch so gut. Und deshalb weckt es Sehnsüchte und wir bekommen gesagt, dass wir alles haben können, was wir wollen. Der Punkt ist aber, dass du nie aufhören darfst zu wollen. Denn in dem Moment, wo du ankommst und glücklich bist, hättest du alles erreicht. Also darfst du dieses Glück nie erreichen, sonst funktioniert die ganze Nummer nicht. Ich persönlich fand es durchaus irritierend, dass wir ein System haben, dass uns Glück verspricht, welches wir aber nie erreichen können, sonst wäre der Kapitalismus ausgehebelt und das Wirtschaftssystem kaputt. Wenn wir alle aufhören und sagen, dass alles fein sei und es uns wichtiger ist, Zeit mit unseren Leuten zu verbringen, dann läuft der Laden gleich nicht mehr. Ich sage nicht, dass der Kapitalismus abgeschafft gehört, ich möchte nur einmal kurz darüber nachdenken, ob das der Weisheit letzter Schluss ist.

Hast du aufgrund deiner Rolle dein privates Leben auch mal hinterfragt? Stichwort: Konsumzwang.

Ich hatte das früher viel mehr. Ich habe aber eine Sache viel mehr als Konsumzwang und das ist das fehlende Sicherheitsgefühl bzw. Ängste, nicht sicher zu sein. Dann stelle ich mir die Frage: „Was, wenn alles mal vorbei ist? Wovon wird man leben?“ Das ist eher so mein Ding. Das Konsumproblem hatte ich ungefähr zehn Jahre früher. Das liegt aber vielleicht ein bisschen an meinem Beruf, da ich hier in einer Sonderposition bin, dass wir relativ viele Sachen bekommen. Denn Firmen wollen, dass wir die Klamotten oder so auf dem roten Teppich tragen.

Dass du tatsächlich irgendwann an dem Punkt angelangst, wo du sagst, dass alles toll ist aber du schon wieder den Schrank freiräumen und deine Freunde mit ausrangierten Klamotten versorgen musst, sorgt dafür, dass du viel schneller lernst, was dir wirklich etwas bedeutet und was nicht. Menschen, die das nicht kennen, brauchen für diese Erkenntnis vielleicht viel viel länger. Damit meine ich nicht, dass du keine Sachen besitzen sollst, sondern einfach, dass es Dinge gibt, die einem etwas bedeuten und Dinge, die einem nichts bedeuten. Und genau das muss man glaube ich unterscheiden können.

Wie war es denn, nackt durch Berlin zu rennen?

Weißt du, was richtig lustig war? Wir haben das ja höchst geheim gemacht und mitten in der Nacht. Und wir haben diese Szene ja mehrfach gedreht, denn wir haben nicht chronologisch gedreht. Das bedeutet, dass wir diese Szenen immer mal wieder machen mussten. Angefangen haben wir damit in der Garage. Das war auch das Härteste, denn es war echt kalt und Matthias kurz darauf heftig erkältet. Überall waren Komparsen, die wir noch nie gesehen haben und Matthias und ich dachten uns: Scheiß drauf und los geht’s. Anfangs haben wir uns noch Handtücher umgelegt, doch irgendwann war klar, dass sowieso jeder am Set alles sieht und dann wurde es uns zusehends egal. Vor allem ist es so, dass je mehr Panik du deshalb machst, umso unwohler fühlst du dich. Es ist immer nur der Kontext, denn wenn du in Berlin in einer Badehose rumrennen würdest, dann würdest du dich unwohl fühlen – am Strand hingegen ist in Badehose alles ok. Es ist seltsam. Dieses nackte Herumrennen war irgendwie eine Mutprobe, die durchaus gekickt hat, denn wann darf man schon mal flitzen (lacht). Aber es gab natürlich große Bedenken, dass die ganzen Fans das mitkriegen und wir nicht mehr drehen können, denn wir können ja nicht den ganzen Kotti (Anm. d. Red.: Kottbusser Tor) absperren. Also sind wir sozusagen „stealth-mäßig“ unterm Radar geflogen. Einfach hinfahren, drehen, abhauen. Es war schnell vorbei.

Florian David Fitz und Matthias Schweighoefer
Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer bei den Dreharbeiten zu 100 Dinge

Wenn Matthias heute mit so einer Wette zu dir käme, würdest du sie annehmen oder ist so eine Hardcore-Wette nur im Film möglich?

Ich würde es immer annehmen, weil ich so ein Vergnügen daran hätte, Matthias scheitern zu sehen (lacht). Ich würde definitiv gewinnen, denn ich bin der Härtere von uns beiden (lacht immer noch). Wenn du ihn fragst, wird er dir das auch sagen (immer noch am Lachen). Ich bin, was das angeht, etwas schmerzfreier als er. Auch beim Film „Der geilste Tag“ war ich derjenige, der das Maul vollnimmt und dann in 40 Meter Höhe kopfüber am Kran hängt. Und wenn du dann soweit bist, denkst du dir, dass das vielleicht doch keine so gute Idee gewesen ist und du mal lieber die Schnauze hättest halten sollen. Es ist natürlich eine Blödsinnswette, aber im Sommer kann man das gut machen.

Worauf könntest du auf gar keinen Fall verzichten?

Ich glaube, da gibt es wenig, auf das ich nicht verzichten könnte. Manches ist nur härter als anderes. Hart wäre zum Beispiel das Smartphone, da es heutzutage vieles vereinfacht. Beim Kalender und der Kamera schon angefangen. Rein praktisch gesehen wäre das hart. Aber ich kann das Handy auch ohne Probleme eine Woche lang weglegen. Das ist nicht so mein Problem. Ich liebe mein Bett, aber notfalls schlafe ich auch woanders. Wenn es hart auf hart kommt, können wir alle anders. Generationen vor uns mussten das und wenn wir heute dazu gezwungen sind, schaffen wir das auch. Ich kann mich noch an die Zeiten bei den Pfadfindern erinnern. Da haben sie uns gefühlt eine Salami und einen Brühwürfel mitgegeben und dazu eine Tafel Schokolade. Das alles war wie eine Schnitzeljagd über 100 Kilometer und wir sind nur gelaufen und mussten uns beim Bauern selbst Schlafplätze suchen. Abends haben wir dann im Heu geschlafen und tatsächlich schläfst du dann sehr gut.

Man sieht dich und Schweighöfer ja anfangs ständig (halb-)nackt. Besonders den Frauen wird dies natürlich gefallen. Die Frage der Männer lautet da nur: Wie hältst du dich fit und wie viel Zeit kostet es dich, mit Mitte 40 so einen Körper halten zu können? Hast du dich für diese Rolle extra vorbereitet, was Figur etc. angeht?

Ich bin schon sportlich, aber weil Matthias einfach ein so breites Kreuz hat und jeder normale Mensch neben ihm wie ein Schmalhans aussieht, habe ich muskeltechnisch noch eine Schippe drauflegen müssen. Wenn du noch dazu Regie machst, dann kommst du kaum noch zum Sport und mir war klar, dass das so nicht geht. Deswegen habe ich mir einen Personal Trainer hinstellen lassen. Das krasse war dann, dass du dein Essen hingestellt bekommst, denn oftmals vergisst du einfach zu essen. Meinen Trainer hatte ich von Januar bis zum Ende der Dreharbeiten im Mai und das war top. Da kannst du nicht einfach sagen „Ich schlafe jetzt mal weiter“, sondern da kommt jemand, der dich aus dem Bett holt und dein Training mit dir macht. Natürlich würde ich das mit meiner verbesserten Figur gerne beibehalten, aber es ist einfach sehr viel Arbeit. Ich habe versucht, meine antrainierte Figur beizubehalten, was anfangs auch noch ging, jetzt gerade habe ich das Training aber zwei Wochen schleifen lassen. Ich versuche aber mich weiterhin vernünftig zu ernähren, was für eine gute Figur sehr wichtig ist.

Florian David Fitz

War irgendeine Szene besonders hart oder schwierig einzudrehen? Ein Moment, in dem du als Regisseur schon mal aus der Haut hättest fahren können?

Nein, super hart eigentlich nicht. Als Regisseur ist es für mich hart gewesen, so viel reden zu müssen. Da dachte ich abends öfter mal, dass mein Wortschatz, den ich fürs ganze Leben zur Verfügung habe, bereits erschöpft ist.
Für mich ist es eher so, dass ich zum Beispiel Matthias ermutigen möchte emotionaler zu spielen. Der ist so wahnsinnig gut, dass er sich manchmal auf das, was er so kann, zurückzieht. Und ich denke, dass er das auch von mir will und erwartet. Da musste ich ihn ab und zu mal dran erinnern, denn nicht jeder transportiert gerne seine eigenen Emotionen nach außen. Und wenn man sagt, dass die Rolle nichts mit ihm persönlich zu tun hat, dann bringt das in diesem Moment schon viel.

Hat dein gespielter Charakter etwas mit deinem richtigen Charakter gemeinsam? Hast du absichtlich Paul genommen und nicht Toni, der von Matthias Schweighöfer gespielt wird?

Tatsächlich war es so, dass wir beide Rollen spielen konnten. Wenn aber Matthias den Paul gespielt hätte, dann wäre das zu ähnlich gewesen, wie die Konstellation, die wir bei „Der geilste Tag“ gesehen haben. Also haben wir beide gesagt, dass wir die Rollen dieses Mal so verteilen, wie sie letztendlich waren. Ich Paul und Matthias Toni. Es ist immer spannender, wenn man Matthias in einer straighteren Rolle sehen kann, ihm eine Liebesgeschichte zu geben und ihn über seine eigene, im Film gespielte Disziplin, stolpern zu lassen. Ich verstehe den Paul sehr gut, aber es sind im echten Leben natürlich nicht meine Probleme. Wir als Schauspieler haben das Glück, manchmal in Rollen zu schlüpfen, die großartig sind, aber mit unserem eigenen Leben nichts zu tun haben.

3 Fragen – 3 Antworten:

a. Das Leben wäre leichter, wenn…
wir alle ein kleines bisschen besser wären.

b. Wahres Glück findest du nur bei…
es findet dich, du selbst findest es nicht.

c. Auf einer Skala von 1 bis 10 bin ich eine 10 in…
Rechthaberei. Aber hier bin ich eine 11! (lacht) Ballgefühl: 1

Worauf dürfen wir uns 2019 von und mit dir freuen?

Ich habe jetzt erst einmal mein Pulver verschossen und muss etwas Neues schreiben (lacht). Das dauert wohl ein bisschen. Für 2019 ist also aktuell noch nichts geplant.

Florian David Fitz und Daniel Heilig beim Interview
Florian David Fitz und Daniel Heilig beim Interview

 

Fotos: Jens Koch; AJOURE´ Redaktion; Warner Bros.

Ajouré MEN Redaktion
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