Jede Generation schafft sich ihre eigenen Monster. Volksmärchen erzählen von Hexen und Zauberern in den Wäldern, die Generation unserer Eltern fürchtete riesige Haie im Meer. Diese Generation holt sich ihre Monster aus dem Internet: Slenderman ist ein reines Produkt der elektronischen Medien. Er taucht an Orten auf, die wir heutzutage nur noch selten aufsuchen – verlassene, bröckelnde Fabrikhallen, tiefe Wälder, ein Spielplatz mit einem klapprigen Stahl-Turngerät.
Woher stammt Slenderman?
Er wird als Vorstadt-Ghoul mit seiner eigenen Geschichte und seinen eigenen Motiven dargestellt. Doch vor einigen Jahren wurde er zum Gegenstand einer kontroversen Diskussion aufgrund eines Angriffs in Wisconsin, Amerika, bei dem zwei Mädchen auf ein anderes einstachen, um Slendermans dunkle Bedürfnisse zu stillen. Eine schreckliche Geschichte, die zeigt, wie wenig wir von der Psychologie einer Generation verstehen, die mit dem Internet aufgewachsen ist, und wie sich Bilder im Laufe eines halben Jahrzehnts von der Fiktion zur Tatsache wandeln können.
Der Ursprung von Slenderman ist erstaunlich unspektakulär. Im Gegensatz zu den meisten urbanen Legenden können wir seine Herkunft mit absoluter Sicherheit zurückverfolgen.
Er wurde am 8. Juni 2009 auf einer Forumsseite geboren, die von Photoshop-Prankstern frequentiert wird.
Die Rechte an ihm gehören einem gewissen Eric Knudsen aus Florida, der eine kleine Tochter hat und sehr überrascht war, dass sein Dämon noch nicht in den Wirren des Internets verschwunden war.
Das Gegenteil war der Fall, denn eine ganze Geschichte, ein regelrechter Hype, ist um ihn herum gewachsen, wie es vor einem Jahrzehnt noch unmöglich gewesen wäre.
Slenderman tauchte erstmals in den SomethingAwful-Foren unter einem Thread mit dem Titel „Paranormale Bilder erstellen“ auf.
Ein Benutzer, Slidebite, kommentierte: „Du weißt einfach, dass ein paar der guten Bilder es irgendwann auf paranormale Websites schaffen und als echt ausgegeben werden.“
Er hatte Recht. Das erste Bild von Slenderman – eine große, unscharfe Figur neben einem Baum – wurde von einem Text begleitet, der wie eine schlechte Horrorgeschichte klingt: „Eines von zwei wiedergefundenen Fotos vor dem Brand der Stadtbibliothek von Stirling.
Bemerkenswert, weil es an dem Tag aufgenommen wurde, an dem vierzehn Kinder verschwanden und weil es als „The Slenderman“ bezeichnet wird.
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Das Feuer in der Bibliothek ereignete sich eine Woche später. Das eigentliche Foto wurde als Beweismittel konfisziert. – 1986, Fotograf: Mary Thomas, vermisst seit 13. Juni 1986.“
Weitere Posts fügten ihre eigenen Interpretationen des Materials hinzu und schufen so eine Hintergrundgeschichte, die bis ins Deutschland des 16. Jahrhunderts und sogar bis 5000 v. Chr. reichte.
Der Schöpfer der Seite Eric Knudsen alias Victor Surge fügte ein paar weitere Fotos hinzu, während andere Besucher ihre eigenen kreierten.
Nach und nach fügten SomethingAwful-Poster und Fan-Fiction-Enthusiasten der Figur etwas hinzu: er erhielt eine eigene Definition, dank eines Nutzers, der auf Yahoo Answers im Jahr 2011 einen Text verfasst hatte:
Der Slenderman ist eine übernatürliche Kreatur, die als normaler Mensch beschrieben wird, doch er wird als 4 Meter groß beschrieben und er hat zusätzliche Körperteile, die er als Waffen einsetzt.
Die Kreatur ist dafür bekannt, Menschen zu verfolgen und für ihr Verschwinden verantwortlich zu sein. Er wird als eine Art Schattenkreatur beschrieben, ganz ohne Gesicht.
Das Wesen passt zu vielen Mythologien in Ländern wie Deutschland, die eine keltische Vergangenheit haben.
Slenderman ist per Definition nicht wirklich böse, doch die Version von Victor Surge zeigt ihn als eine böse Kreatur, die sich an Menschen heranpirscht, um sie zu töten.
Wer ist Slanderman?
Slenderman ist ein Produkt dieses Jahrhunderts. Er erscheint und richtet Unheil an. Er mordet auf unerklärliche Weise oder er zwingt andere zum Morden.
Er ist ein dunkler Gott im Zeitalter der digitalen Medien und er füllt den leeren Platz zwischen den Nachrichten und dem Unbekannten.
Der Schöpfer von Slenderman, Knudsen alias Victor Surge gibt an, dass er hauptsächlich von H.P. Lovecraft, Stephen King (insbesondere von seinen Kurzgeschichten), den surrealen Fantasien von William S. Burroughs und einigen Spielen des Survival-Horror-Genres beeinflusst wurde, darunter Silent Hill und Resident Evil.
Er benutzte diese, um etwas zu erfinden, dessen Motivationen kaum nachvollziehbar sind und das in der Bevölkerung allgemeines Unbehagen und Schrecken auslöst.
Das Schlüsselwort dabei ist Terror. Slenderman tötet seine Opfer nicht direkt. Stattdessen ermutigt er andere dazu, um ihm zu gefallen.
Interessanterweise sind die Orte, die er heimsucht, heute so gut wie verschwunden. Dank der globalen Berichterstattung über Mord und Totschlag dürfen Kinder nur noch selten allein im Wald spazieren oder in verlassenen Gebäuden spielen.
Dass es ihn überhaupt gibt, ist ein Beweis für die unheimliche Anziehungskraft dieser Orte. Er ist der Geist auf dem Parkplatz, überwacht von unaufmerksamen Wachmännern und Überwachungskameras.
Er ist die Geschichte, die dich nachts im Zentrum einer 8-Millionen-Stadt wachhält. In einer Welt, in der es kein namenloses Grauen mehr gibt, in der jedes Monster einen Namen und GPS-Koordinaten hat, ist er eine willkommene Zuflucht in die Fantasie.
Slendermans Eigenleben
Um zu verstehen, was aus der Figur Slenderman geworden ist, muss man nur den Twitter-Stream beobachten, in denen er erwähnt wird. Im Jahr 2014 ist Slenderman jetzt Slendy, eine halb komische, halb ernste Figur, die ein Eigenleben entwickelt hat.
Der Feed ist voll von Game-Walkthroughs und Links zu Fan-Fiction. Doch Slenderman nahm eine seltsame Eigendynamik an, die in einem tragischen Verbrechen ihren Höhepunkt nahm:
Zwei 12-jährige Mädchen in Waukesha, Wisconsin, stachen auf ein drittes Mädchen ein. Die Mädchen, die ihre Handlung im Internet als „Stabby, stab, stab“ bezeichneten, sagten aus, dass ihre Tat als Opfer für Slenderman gedacht gewesen sei.
Die Behörden versuchten, die beiden Minderjährigen als Erwachsene zu verurteilen, bis eine psychische Beurteilung vorliegt.
Die Mädchen glaubten, dass Slendy ihnen erscheinen würde, wenn sie in seinem Namen töten würden. Sie glaubten auch, er habe sie und ihre Familien bedroht und könne ihre Gedanken lesen.
Kinder hatten schon immer eine blühende Fantasie. Ein paar Tage nach der Bekanntmachung dieses Verbrechens, ungefähr am Jahrestag der Erschaffung von Slenderman, griff ein Teenager in Cincinnati seine Mutter an.
Der Teenager, der eine Vorgeschichte einer psychischen Erkrankung hatte, war von der Figur besessen. Der Mangel an Details in diesem und dem vorherigen Fall deutet mehr auf eine Geisteskrankheit hin als alles andere.
Slenderman wurde also zum Mittelpunkt einer Manie, die diese Mädchen und diesen Jungen zu gewalttätigen Handlungen zwang.
Bislang sind keine weiteren Berichte über Gewalt im Zusammenhang mit dem Slenderman aufgetaucht.
„Ich bin zutiefst betrübt über die Tragödie in Wisconsin und mein Herz ist bei den Familien derer, die von dieser schrecklichen Tat betroffen sind“, sagte Slenderman-Schöpfer Eric Knudsen.
Wie es mit dem Slenderman-Mythos weitergeht, ist ungewiss. Er ist ein neuer Bösewicht, ein neuer Sündenbock, ein neuer Dämon.
Er wird nicht der letzte seiner Art sein, aber er ist das erste Produkt dieser Art des Internets, ein digitaler Dämon, der Webseiten heimsucht und manchmal in die reale Welt überschwappt.
Das 12-jährige Opfer aus Wisconsin hat sich mittlerweile erholt und es geht dem Mädchen gut.
Slendermans Schöpfer Knudsen seinerseits hat die Entwicklung der Figur vor ein paar Jahren eingestellt. „Ich verbringe nicht mehr viel aktive Zeit im Internet, da ich mich lieber meiner Familie widme.“, sagt er.
Slenderman Referenzen in moderner Popkultur
Mit zunehmender Beliebtheit und Aufmerksamkeit hat sich Slenderman nicht nur zu seinem eigenen Film gemausert, sondern auch zahlreiche Auftritte in Videospielen und Fernsehserien gehabt. In Minecraft ist der „Enderman“ eine etwas angepasste Version für jüngere Spieler. Die Figur ist etwas größer als der Spieler, kann sich teleportieren und greift einen an, wenn man ihm direkt ins Gesicht schaut. Seine eigenen Videospiele hat der Slenderman mit „Slender – The Eight Pages“ im Jahr 2012 und „Slender – The Arrival“ im Jahr 2013 erhalten.
Die beiden Spiele hatten damals einen richtigen Social-Media-Hype. YouTuber wie PewDiePie und Markiplier haben die Titel bis zum Umfallen gespielt.
- King, Joey, Telles, Julia Goldani, Sinclair, Jaz (Schauspieler)
- White, Sylvain(Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung:Freigegeben ab 16 Jahren
Aber auch in Serien gibt es das ein oder andere Cameo des Anzug-tragenden Dämons. Der #THINMAN aus Supernatural basiert auf Slenderman. Sogar My Little Pony hat eine Figur auf der Basis des Slenderman aufgebaut.
Die bisher neueste Referenz zu Slenderman lässt sich in der Serie „Solar Opposites“ hören. Eine komplette Liste aller Referenzen zu Slenderman in moderner Poplultur findest du hier, auf der dazugehörenden Slenderman Fandom Seite.
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Bilder: ©Sony Pictures Releasing GmbH; ©HBO Documentary Films; SomethingAwful / Eric Knudsen
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