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Drag Racing – Die Sucht nach Beschleunigung

Es ist wohl der schnellste und auch spektakulärste Motorsport zugleich – Drag Racing. Dragsterrennen sind eine regelrechte Beschleunigungsorgie bei der die Teilnehmer nur ein Ziel kennen: Eine gerade Strecke aus dem stehendem Start schnellstmöglich zurückzulegen. Die traditionellen Renndistanzen sind die Viertelmeile (402,34 Meter) und die Achtelmeile (201,17 Meter). Die Reaktionsschnelligkeit der Fahrer sowie ihre Fähigkeit, die enorme Leistung der Dragster auf die speziell präparierte Strecke zu bringen, entscheiden über Sieg oder Niederlage. Wir blicken hinter die Kulissen!

Die Tribünen sind bis auf den letzten Platz besetzt, der Streckensprecher kündigt euphorisch die anstehende Klasse an – Top Fuel! Der Chefstarter gibt das Signal. Kurze Rücksprache unter den beiden Teams. Ein Helfer spritzt Methanol in die riesigen Einlassöffnungen des Kompressors, die so genannten Scoops, ein. Der mächtige Anlasser erweckt den V8-Motor mit 8 Liter Hubraum zum Leben. Ein Stakkato für die Ohren!

Extremer Motorsport kommt nicht mit normalem Benzin aus. Zwei Spritpumpen fördern das hochexplosive und sündhaft teure Nitromethan in armdicken Spritleitungen zum Kompressor. Zwei Dragster mit ihren imposanten Ausmaßen machen sich fertig zum „Burn Out“. Die Zuschauer zucken zusammen, ohrenbetäubender Lärm. Eine dichte Qualmwolke hüllt den Startbereich ein. Beide Fahrzeuge werden durch einen Helfer zurückgewiesen. Letzte Handgriffe werden erledigt. Die Dragster rollen langsam bis zum Start vor. Kurz darauf schlagen meterhohe Flammen aus den Auspuffrohren. Eingehüllt in einer Gischt aus Staub und Hitze rasen die Dragster mit infernalischem Lärm über die Strecke.
 

Top Fuel Bike
Multi Champion Ian King aus England mit seinem ca. 1500 PS starken Top Fuel Bike
 

Die Wurzeln des Dragstersports liegen in den USA und reichen bis in die frühen 50er Jahre, als zunächst die Youngster auf den endlosen Highways gegeneinander antraten, um sich mit ihren getunten Autos zu duellieren. Bereits 1951 gründete Wally Parks die „National Hot Rod Association“, um die wilden Straßenrennen in einen organisierten, sportlichen Rahmen zu fassen. In dieser Zeit entstanden die ersten „Drag Strips“, Regeln für den Wettkampf wurden erarbeitet. Mitte der 60er überschritt Drag Racing die Grenzen des amerikanischen Kontinents und fand in Windeseile eine neue, begeisterte Fan-Gemeinde in Europa. US-Soldaten brachten diesen Sport nach Deutschland. Zwischen 1969 und heute entwickelte sich Drag Racing vom Barbecue-Weekend auf Flugplatzpisten zu nach Weltmaßstäben organisierten Events.

Der Ablauf eines Dragsterrennens ist genau festgelegt: Zwei Kontrahenten treten in einem direkten Vergleich im K.o.-System gegeneinander an. Der, der schneller ist, kommt eine runde weiter. Der andere scheidet aus. Eine Vielfalt von zwei- beziehungsweise vierrädrigen Fahrzeugen der unterschiedlichsten Art machen diesen Sport einzigartig. Die Bandbreite der Klassen erstreckt sich von für die Straße zugelassenen, getunten Autos, bis hin zu der höchsten Klasse, den Top Fulern. Die unglaubliche Leistungsausbeute wird unter anderem mit Schraubenkompressor, Turbo und oder Lachgaseinspritzung erreicht. Je nach Klasse wird von normalem Benzin über hochoktaniges Rennbenzin, Methanol bis hin zum „flüssigen Sprengstoff“ – dem Nitromethan – zurückgegriffen. Letzteres bringt einen Leistungszuwachs von bis zu 60 Prozent. Beschleunigt wird bei den Top Fuelern von 0-160 km/h unter einer Sekunde! Das sind Werte, die noch nicht mal Jagdpiloten in ihren Jets beim Start erleben. Verzögert werden diese Geschosse am Ende des Laufes mit einem Bremsschirm.
 

Fredrik Lundh in seinem Chevrolet Nova
Fredrik Lundh in seinem Chevrolet Nova

 

Nach dem Aufheizen der gigantischen Hinterreifen durch den „Burn Out“ wird der Fahrer durch seine Crew so zurück gewie-sen, dass er möglichst genau in der frisch gelegten, klebrigen Spur steht. Der Fahrer nimmt nun die Startposition ein. Die Start-lichtampel – in der Dragster-Fachsprache „Chrismas Tree“ (Weihnachtsbaum) genannt – zeigt dem Fahrer an, wie weit er noch von der Startlinie entfernt ist. Ist der Fahrer bis an die Startlinie vorgefahren, leuchtet ein weiteres Licht. Erst dann gibt der Starter den Lauf frei. Die Arbeit der Zeitnahme-Anlage beginnt mit dem Messen der Reaktionszeit (die Zeit, die zwischen „Grün“ und dem Verlassen der Lichtschranke vergangen ist), danach folgt die Zwischenzeit bei 60 Fuß (ca. 18 m) und der Achtelmeile (201,17 m), sowie der über die Viertelmeile erreichte Endgeschwindigkeit.

Im Drei-Minunten-Takt werden an dem Wochenende rund 1.000 Rennläufe absolviert. Ein Erlebnis-Wochenende für die ganze Familie. Nirgendwo sonst können interessierte Fans bei einer Großveranstaltung hautnah an die Fahrer herankommen und im Fahrerlager den Teams bei der Vorbereitung der Fahrzeuge zuschauen. Was nur wenige sehen: Zwischen den einzelnen Läufen geht das Rennen weiter. In den Boxen checken die Teams die Fahr-zeuge komplett durch. Das kann je nach Klasse das Überprüfen der Zündkerzen und des Reifendrucks, das Nachstellen des Ventilspiels und der Zündung bis hin zur kompletten Demontage des Motors bei den Top Fuelers bedeuten.
 

Der Brite Liam Jones in seinem Top Fuel Cockpit nach einem erfolgreichen Run
Der Brite Liam Jones in seinem Top Fuel Cockpit nach einem erfolgreichen Run
 

Der Dragster Sport zählt mit Abstand zu den sichersten Sportarten überhaupt. Geschwindigkeiten von über 500 km/h lassen keinen Spielraum für Fehler. Das ausgeklügelte Reglement und die stetigen Kontrollen, sowie die kontinuierlichen Weiter-entwicklungen der Sicherheitseinrichtungen können das Risiko zwar nicht ganz ausschalten, aber immerhin auf ein gesundes Maß minimieren. Auch wenn Motorenplatzer spektakuläre Ausnahmen sind.

Fazit: Dragsterrennen haben mittlerweile auch hierzulande eine große Fangemeinde und sind längst mehr als nur ein Nischensport. Auch wenn die große Beachtung in den Medien noch aussteht – was verwunderlich ist. Immerhin fanden gut 80.000 Zuschauer den Weg zur 30. Auflage der Nitro Olymp’x am Hockenheimring und mit die größte Veranstaltung ihrer Art in Europa. Fans gibt es also genug.

 

Funny Car mit Blick auf die Kolben des V8 Motors
Funny Car mit Blick auf die Kolben des V8 Motors

 

© Text und Fotos: Henrik Vormdohre

Ajouré MEN Redaktion
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