Jeder kennt das unangenehme Gefühl, nichts tun zu können. Ob beim Warten auf einen verspäteten Zug, im überfüllten Patientenraum des Arztes oder bei der Arbeit – Langeweile gehört zu den omnipräsenten Konstanten des Alltags. Langeweile, als Zustand fehlender mentaler Stimulation, ist gesellschaftlich verpönt und deshalb flüchten viele vor ihr. Doch ist das überhaupt sinnvoll?
Langeweile als Kreativitätsboost
Es ist Freitagnachmittag und das Wochenende kommt in großen Schritten näher. Es gibt nicht mehr viel zu erledigen, da alle anstehenden Aufgaben bereits erledigt sind. Dennoch, wenn der Chef in der Nähe ist, gilt es, möglichst beschäftigt und ungelangweilt zu wirken. Schließlich wird Langweile noch immer mit Faulenzertum in Verbindung gebracht und das kommt bei Führungskräften bekanntlich nicht gut an. Langeweile kann allerdings wichtig für dich sein, das sagt zumindest die Forschung.
Unter den Befürwortern von maßvoller Langeweile befinden sich die Forscher Sandi Mann und Rebekah Cadman von der „University of Central Lancashire“. Das britische Forscherpaar untersuchte den Einfluss von Langeweile auf die Kreativität. Hierzu wurden 80 Teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt. Die Teilnehmer der ersten Gruppe mussten Nummern aus einem Telefonbuch abschreiben, während die Teilnehmer der zweiten Gruppe diese Aufgabe nicht erfüllen mussten. Anschließend sollten alle Teilnehmer verschiedene Verwendungsmöglichkeiten für ein Paar Plastikbecher nennen. Die Teilnehmer, die vorher eine langweilige, monotone Aufgabe erledigten, waren kreativer als die Kontrollgruppe. Der kreativitätsfördernde Effekt der Langeweile wurde inzwischen durch zahlreiche Studien belegt.
Diesen Trick kannst du auch verwenden, wenn du unbedingt ein Geschenk besorgen musst und dir partout nichts einfallen will. Schreibe einfach ein paar Seiten aus dem Telefonbuch ab und dir wird schnell eine passende Geschenkidee einfallen. Nicht nur, weil dich monotone Aufgaben kreativer machen, sondern auch, weil Langeweile deine Motivation (ein Geschenk zu kaufen) verbessern kann.
Motivator: Langeweile?
Es klingt paradox, doch Langeweile kann dich motivieren. Um dich mit der Problematik vertraut zu machen, kannst du dir folgende Frage beantworten: Tust du nichts, weil dir langweilig ist, oder ist dir langweilig, weil du nichts tust? Auf den ersten Blick wirkt die Fragestellung wie das bekannte Henne-Ei-Dilemma. Doch der Fall der Langeweile verhält sich anders. Langeweile entsteht, weil du nichts machst. Das wiederum macht dich träge und du tust noch weniger, wodurch dir noch langweiliger wird. Diesen Kreislauf unterbricht der Körper allerdings, wenn der Zustand der Langeweile zu unangenehm wird. Dann fungiert Langeweile als Motivator, irgendetwas zu tun, um das unangenehme Gefühl loszuwerden.
Dazu kommt es heutzutage allerdings immer seltener. Netflix, Social-Media-Plattformen und Smartphones diktieren den modernen Lebensrhythmus. Die meisten Menschen vermeiden die langweilige Realität, beispielsweise das Warten auf den Bus, indem sie sich in die spannende virtuelle Welt mithilfe des Smartphones begeben. Smartphones sind zwar nicht das Ende des Abendlandes, aber die kleinen Technikwunder sollten nicht unkritisch verwendet werden. Falls sie regelmäßig benutzt werden, um vor Langeweile zu flüchten, kann sich das negativ auf die Psyche auswirken. Schließlich kann das Gefühl der Langeweile dann nicht mehr seine Aufgabe erfüllen: Den Gelangweilten motivieren, produktiv zu werden. Falls du dich selbst dabei ertappst, dein Gehirn mit Smartphones & Co. immer beschäftigt und unter Spannung zu halten, kannst du aktiv dagegen vorgehen. Nimm dir bewusst Zeit, nichts zu tun. Hierzu kannst du meditieren oder bewusst eine monotone Aufgabe wie den Abwasch erledigen.
Die zweite Seite der Medaille: Bore-out-Syndrom
Dem berühmtesten Arzt des Mittelalters, Paracelsus, wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht‘s, dass ein Ding kein Gift sei.“ Einfach ausgedrückt: Zu viel Langeweile schadet dir.
Ein bisschen Langeweile erhöht nachweislich die Konzentration, Motivation und Kreativität. Zu viel Langeweile wirkt sich jedoch negativ auf deinen Körper aus. Das liegt vor allem an dem Einfluss auf den Hormonspiegel. Ist dir langweilig, schüttet dein Körper das Stresshormon Cortisol aus. Cortisol erhöht den Blutdruck, den Puls und reguliert viele kognitive Fähigkeiten. Langeweile beeinflusst den Cortisol-Spiegel sogar stärker als Traurigkeit. Cortisol ist dafür zuständig, dass dein Körper mehr Energie hat. Das war für unsere Vorfahren wichtig, um vor gefährlichen Tieren zu fliehen. Ist Langeweile ein Dauerzustand und die Energie wird nicht abgebaut, gerät dein Körper unter Spannung. Du hast zu viel Energie. Wird die Energie nicht abgebaut, kann das kann zu einem chronischen Erschöpfungszustand führen, der Bore-out-Syndrom genannt wird. Die Symptome ähneln denen des Burn-out-Syndroms.
Langeweile kann gering dosiert eine echte Bereicherung für den privaten und beruflichen Alltag sein. Dann dient Langeweile der Gesundheit und die Leistungsfähigkeit profitiert von den positiven Effekten auf die kognitiven Funktionen. Wird Langeweile allerdings überdosiert, kann es schnell zu Erschöpfungserscheinungen kommen, da der Körper die Energie anstaut. Dann solltest du die Energie durch das Erledigen von dringlichen Aufgaben oder Sport wieder abbauen.
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