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Felix Lobrecht? Kenn ick! Der Berliner Comedian im Interview

Felix Lobrecht? Kenn ick! Der Berliner Comedian, der seit ein paar Jahren aus der Comedy-Szene nicht mehr wegzudenken ist, steht kurz vor seiner zweiten Tour. Nach „kenn ick.“, mit der er zwei Jahre durch Deutschland tourte, kommt ab September 2018 die neue Tour „hype“, in der er Stellung zu seinem veränderten Leben bezieht. Wie dies genau aussieht, wie er zur Comedy kam und was ihn eigentlich alles beschäftigt, hat er uns bei einem Interview in seinem Kiez Kreuzberg erzählt. Und es war, wie man es sich mit Felix vorstellen würde. Erst mal die Füße auf die Armlehne des Nachbarstuhls und ’ne Kippe gedreht. Schnell wird klar, dass Felix sich auf seinen Shows nicht verstellen muss, denn er ist exakt so, wie man ihn aus dem Fernsehen, YouTube und Facebook kennt.

Felix Lobrecht im Interview

Deine Karriere liest sich fast ein bisschen wie ein amerikanischer Traum. Schule abgebrochen, im Fitnessstudio und im Pflanzengroßhandel gejobbt, Ausbildung zum Industriekaufmann und auch das Journalismusstudium gekickt. Dann die Teilnahme an Poe- try Slams, 2017 dein erstes Buch und seitdem als Comedian auf sämtlichen Bühnen. Geplant war das so aber nicht, oder?

Nein, gar nicht. Das war eher so ein fluider Prozess, denn ich habe das nie so richtig forciert. Ich habe damals noch so eine komische Ausbildung gemacht und bin dann 2010 zum ersten Mal in Berlin bei einem Poetry Slam aufgetreten. Rückblickend habe ich da eigentlich einen totalen Schrott geschrieben, aber das ist ja auch völlig egal. Aber ab dem Moment, wo ich den ersten Lacher auf der Bühne hatte, war ich davon angefixt. Ich habe angefangen für die Bühne zu schreiben und gemerkt, dass es richtig gut funktioniert. Dann bin ich für mein Studium nach Marburg gezogen, um hier Politikwissenschaften zu studieren und bin da offiziell noch dabei. Dort gab es ebenfalls Poetry Slams, wo mich der Veranstalter irgendwie gut fand und mich dann weiterempfohlen hat. Und auf einmal war ich unterwegs nach Hamburg, Köln und Stuttgart und habe tatsächlich Geld damit verdienen können. Dann habe ich mich damit viel mehr auseinandergesetzt und war somit in der Lage, mein Studium zu finanzieren. Ohne es zu bemerken, wurde das alles immer größer und ich war in der Lage, nur noch lustige Texte zu schreiben. Da diese immer besser angekommen sind, habe ich mich für einen konsequenten Schritt in die Comedy-Branche entschieden.

Das war für mich ein großer Schritt, denn ich bin im Slam zuhause gewesen und hier auch sehr erfolgreich. Doch ich habe wieder bei Null angefangen und mich mit Comedy hochgearbeitet. Der Punkt ist, dass mir Comedy viel mehr Spaß macht und es insgesamt viel freier ist. Du hast dieses eklige Zeitlimit nicht und irgendwann ein Publikum, welches nur wegen dir anwesend ist. Du kannst also machen was du willst und musst dich nicht anbiedern, etwas zu erzählen, worauf du eigentlich gar keinen Bock hast.

Wonach entscheidest du, welchen Gag du auf der Bühne bringst?

Ich bringe nur Witze, die ich selbst lustig finde. Aber wenn ein Witz, den ich lustig finde, beim Publikum fünf Mal hintereinander nicht ankommt, dann schmeiße ich den raus. Ich suche also quasi nach der Schnittmenge meines Geschmacks und der des Publikums.

Warst du als Kind schon so ein Scherzkeks?

Ich war schon immer witzig (lacht)! Ich war auch immer frech, aber ich bin kein Mittelpunkt-Typ. Zum Beispiel bin ich nie ein Klassenclown gewesen, aber ich habe immer gerne und viel gelacht.

Du warst damals auf einem Gymnasium in Neukölln, wo du nach zwei Jahren wegen auffälligen Verhaltens verwiesen wurdest. Wie schafft man sowas denn in Neukölln?

Auch in Neuköln ist auf dem Gymnasium nicht viel los. Die sind alle anständig und nett. Naja, und dann kam ich. Rückblickend waren die Dinge, die ich da getrieben habe, auch keine wirklich krassen Sachen. Es war einfach die Masse der Vorkommnisse, für die ich verantwortlich war beziehungsweise verantwortlich gemacht wurde. Dazu ist dann leider noch gekommen, dass ich immer uneinsichtig war und sobald ich mich ungerecht behandelt fühle, poche ich auf mein Recht. Das war´s allerdings noch nicht, denn ich bin auch mega stur. Ich habe es immer blöd gefunden, wenn man sich mit seinen Kumpels irgendwas ausgedacht hat und man abgemacht hat, etwas durchzuziehen und ich am Ende der Einzige war, der die Eier hierfür hatte.

Zum Beispiel?

Vor den Klassenräumen gab es immer so Bänke im Gang und wir haben dann gespielt, wer am längsten auf der Bank hocken bleibt, wenn der Lehrer schon im Klassenzimmer ist. Und die Nummer habe ich halt immer gewonnen (lacht). Das waren ja nur kleine Spielereien, aber bereits hier bin ich immer ganz vorne mit dabei gewesen. Dann habe ich ein bisschen die Schule vollgemalt, hatte hier und da mal Schlägereien, habe Sachen aus der Bibliothek geklaut und so Zeug. Was man halt so macht. Eigentlich völlig unnötiger Kram. Wegen mir gab es auch ständig irgendwelche Klassenkonferenzen, was ich völlig albern fand. Bei einer habe ich einen übelsten Lachanfall bekommen, so dass ich sogar aus der Klassenkonferenz rausgeflogen bin (lacht).

Und ab dann ging´s bergab. Ab diesem Zeitpunkt war ich irgendwie gebrandmarkt. Ich war bei uns auf der Schule gefühlt der Einzige, der nicht in einem Haus gewohnt hat und dessen Eltern gut verdient haben haben. Ich war auf dem Gymnasium auch der Einzige, der lehrmittelbefreit war und die Bücher nicht selbst kaufen musste. Zwischen den ganzen weißen Mittelschichts-Kiddies, ich bin ja auch weiß, war das schon ein ziemliches Stigma. Mir war das damals allerdings gar nicht so klar. Vieles habe ich erst bemerkt, als ich mein Buch geschrieben habe und mir diverse Dinge retrospektiv aufgefallen sind. Tja, dann kam ich auf die Gesamtschule und war auf einmal unter Gleichgesinnten. Ab diesem Moment war Schule nur noch privates Entertainment, denn die Lehrer hatten kein Bock und die Schüler auch nicht. Viele Ausländer, schlechtes Deutsch, noch mehr Schlägereien. So wie man sich eine Schule in Neukölln eben vorstellt.

Felix Lobrecht - hype

Du tourst bald mit deiner Tour „hype“ durch ganz Deutschland. Einige Termine sind bereits ausverkauft, aber zwischen dem 29.09.18 und 29.04.2019 trittst du ja insgesamt 70 Mal auf. Wie schaffst du das? Ändert sich das Programm immer ein Stück weit von Show zu Show?

Gib ihm, Alter! Einfach machen. Aber für mich fühlt sich das eh nicht wie Arbeit an, denn es macht mir Spaß. Das Programm wird sich wohl von Show zu Show immer wieder etwas ändern. Ein dynamischer Prozess sozusagen. „kenn ick.“ habe ich zwei Jahre lang gespielt und hier war es so, dass erst nach über einem Jahr jeder Auftritt fast ungefähr gleich war. Bis dahin war es so, dass wenn ich einen neuen Gag hatte, ich einen alten Gag rausgeschmissen habe. Im Februar 2016 war die erste Show und im Mai 2018 die letzte und die hatten überhaupt nichts mehr gemeinsam. Wie ein komplett neues Programm.

Gibt’s einen Leitfaden, der sich durch „hype“ zieht bzw. ein großes Thema rund um die ganze Show?

Ich bin thematisch immer ziemlich nah bei mir, da dies das Einzige ist, worüber ich sinnvoll reden kann. Es geht ein bisschen darum, wie sich mein Leben nach zwei Jahren Hype, den ich hatte, verändert hat. Das klingt zwar abgedroschen, aber ich bin jetzt 29, Alter, und da verändert sich halt auch viel. Das Rumtouren, Geld und halt viel Quatsch. Ich versuche, so all- tagsnah wie möglich zu sein.

Du machst bei deinen Auftritten einen relativ unaufgeregten Eindruck. Ist das tatsächlich so oder gibt’s ein Stück weit Lampenfieber?

Mal so, mal so. Bei der 70. „kenn ick.“-Show bin ich nicht mehr aufgeregt. Nur wenn etwas anders ist, werde ich leicht nervös. Wenn zum Beispiel mein Vater oder Freunde von mir im Publikum sitzen. Ich war 2016 in Köln bei der XXL-Night, wo 15.000 Leute im Publikum saßen und das war schon nochmal eine andere Nummer. Hier war ich krass aufgeregt. Oder auch, als ich jetzt gerade die ersten Tryouts für „hype“ in Berlin hatte. Du weißt halt nie, wie und ob es funktioniert, was du dir da so ausgedacht hast. Aber ansonsten ist meine Coolness schon echt (grinst).

Ist schon mal ein Auftritt komplett schief gegangen oder ist etwas Lustiges bzw. Peinliches passiert, womit du nicht gerechnet hast?

Ja klar, 1000 Sachen schon. Ich war mal bei einem Format, was sich „Komische Nacht“ nennt. Das gibt es in verschiedenen Städten und ich war in Offenbach dabei. Das Konzept ist, da machen 20 Locations mit, alles keine klassischen Comedy-Locations, sondern Restaurants, Bowling oder irgend so eine Scheiße halt. Das Publikum zahlt Eintritt, die fressen da und dann kommen Comedians, die da durchrotieren. Bedeutet, die Zuschauer sitzen da und du, als Comedian, tingelst die verschiedenen Locations ab. Und hier war ich dann in Offenbach in so einem, ach keine Ahnung Alter, so ’nem Vereinsheim oder so ’ner Scheiße. Da war so eine besoffene Männertruppe, die die ganze Zeit dazwischen gelabert haben. Einem von denen sagte ich dann irgendwann, dass er die Fresse halten soll, doch das hat nichts ge-bracht. Ich habe ihn dann irgendwann einfach nur noch beleidigt und bin dann gegangen. Das Problem ist, dass du als Comedian die volle Aufmerksamkeit des Publikums brauchst, denn ab einem gewissen Punkt ist jede Pause, jede Mimik, jede Geste und jedes Wort wichtig und muss genauso sein oder gemacht werden, damit der Witz funktioniert. Und wenn dir dauernd jemand dazwischenquatscht und die Leute ablenkt, macht das einfach alles kaputt. Was den Typen angeht, war ich beleidigungsmäßig relativ schnell bei Hitler, glaub ich (lacht).

Gerade bei der „kenn ick.“-Tour fällt auf, dass du vor deinen Gags immer wieder lange Pausen machst. Haben die einen besonderen Grund?

Ich mache das heute gar nicht mehr so extrem. Pausen sind allerdings wichtig, denn Comedy ist einfach Timing und da sind die Pausen wichtig. Mir wurde außerdem früher immer gesagt, dass wenn man aufgeregt ist, man dazu neigt, immer schneller zu reden und sich somit sein Timing versaut. Und als Kompensation, weil ich auf keinen Fall zu schnell werden wollte, ist das bei mir ins Gegenteil umgeschlagen, so dass ich einfach sehr langsam geworden bin. Das ist dann anfangs zu meinem Markenzeichen geworden, hat mich dann aber schnell ge-nervt, weil ich das Gefühl hatte, mich verstellen zu müssen. Mittlerweile mache ich dieses Ultra-Langsame nicht mehr und rede so, wie ich rede.

Ich habe mir mal deine Website angeschaut und habe ein bisschen geschmunzelt. Da steht: Felix Lobrecht ist lustig. Außerdem schreibt er Bücher. Außerdem steht am Ende deiner Tourdaten, dass wenn sich jemand das Ticket nicht leisten kann, er sich doch bitte bei dir melden soll und ihr eine Lösung finden würdet. Schöne Idee – aber ist das nur ein Joke oder dein Ernst und kam das schon vor? Wie sieht diese Lösung denn aus?

Nein, das ist kein Joke, das passiert tatsächlich und die Leute, die sich melden und kein Geld für das Ticket haben, kommen auf die Gästeliste. Jetzt denken viele, dass sich dann alle auf die Gästelisten setzen lassen würden, aber es ist genau andersherum. Ich hatte noch nie das Gefühl, dass das ausgenutzt wird. Bei jeder Show sind das vielleicht zwei oder drei Leute und es kostet mich ein Lächeln. Wir haben bei einer Location von 1500 Plätzen immer zehn Karten, die für Radio, Presse oder so freigehalten werden. Wir haben also ein kleines Kontingent, welches wir immer blockieren. Und ob diese Plätze jetzt leer sind, Freunde von mir zu Besuch kommen oder wir Leute einladen, die sich das nicht leisten können, ist mir Wurscht.

Felix Lobrecht

Drei kurze Fragen – drei knackige, spontane Antworten:

1: Berlin ist die beste Stadt Deutschlands, weil… Kreuzberg nunmal in Berlin ist.

2: Wenn ich bei einem Auftritt ins Publikum blicke, denke ich mir… nice!

3: Leuten, die mich nicht lustig finden, wünsche ich… alles Gute. Fuck drauf Alter, is mir egal (lacht).

 

Fotos: Marvin Ruppert; AJOURE´

Ajouré MEN Redaktion
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